Page - 286 - in Die Kaiserin - Reich, Ritual und Dynastie
Image of the Page - 286 -
Text of the Page - 286 -
286 Handlungsfelder
sachen als die ohne des gemeinen wesens hochsten vernachtheilung keinen lengern ver-
zug leiden konnen in vndertenigsten gehorsam nachmals bestes fleis zurecommendiren,
zu gleich auch e[uer] Matt. daneben demuttig vnd ehren geburlich zuersuchen, sie wollen
ihrem zu dem gemeinen catholischen vnnd friedtlichen wesen tragenden gotseligen eiffer
nach; ahn gehorigen ortten allergnedigst erinnern vnd verfuegen helffen damit diese rich-
tigen clare sachen vor allen andern in schleuniger expedition gefurdert werden mogen.“
Man darf davon ausgehen, dass es sich bei der erwähnten Angelegenheit um den Streit um
Jülich-Kleve-Berg handelte, in dem ja seit 1609 Pfalz-Neuburg und der Kurfürst von Bran-
denburg um das Erbe in den niederrheinischen Territorien fochten169. Da der pfälzische
Erbprinz Wolfgang Wilhelm sich dem katholischen Bekenntnis annäherte und im Som-
mer 1613 konvertieren sollte, hatte der Streit zudem eine direkte konfessionelle Dimension.
Konfessionelle Streitigkeiten in der Reichsstadt Aachen kamen hinzu. Damit war die Er-
innerung des Kurfürsten in komplexe konfessionell-politische Konfliktlagen eingebettet,
wobei er den konfessionellen Aspekt besonders betonte, vermutlich in der Hoffnung, die
Kaiserin damit umso eher zu einer Intervention zu bewegen, war doch die Frömmigkeit
Annas auf ihrer Reise ins Reich und beim Aufenthalt in Frankfurt vielfach thematisiert
worden170. Zum Kontext dieses Ansuchens des Kurfürsten gehörte es jedoch ebenso, dass
sich im Verlauf des Aufenthaltes in der Krönungsstadt offenbar für die Fürsten gezeigt
hatte, dass die Kaiserin durchaus politisch handlungsfähig war171.
Dies zeigte sich ebenfalls im Vorfeld des Reichstages von 1613, als Reichshofratsprä-
sident Johann Georg von Hohenzollern-Hechingen in Berlin, wohin er in kaiserlichem
Auftrag gereist war, von der Kurfürstin – über deren Erbe die brandenburgischen An-
sprüche auf Jülich und Kleve begründet waren – angesprochen wurde. Er solle doch die
Kaiserin bitten, ihr selbst und ihrem Gemahl in dieser Angelegenheit beizustehen; eine
Bitte, die der Präsident an die Kurfürstin zurückgab, deren politische Aktivität weithin
bekannt war172. Am Ende des Reichstages hielt der Kurfürst von Mainz fest, er habe seine
Klagen über Kardinal Melchior Khlesl und sein ungebührliches Verhalten gegenüber den
Kurfürsten sowohl Erzherzog Ferdinand wie Kaiserin Anna vorgetragen, die ihm völlig
169 Press, Kriege und Krisen, 174–184; Schnettger, Kaiser und Reich, 108.
170 Z. B. Chroust, Anfänge Matthias, 576 (Zeitung aus Nürnberg, 12.07.1612); siehe auch StAN,
Rep. 67 Nürnberg, Krönungsakten Nr. 16, fol. 138r–139v.
171 Chroust, Anfänge Matthias, 725: Ernst Haller von Hallerstein und Christoph Oelhafen klagten
im Oktober 1612 gegenüber dem Rat zu Nürnberg, „als wann es alles ruiniren und mole sua uber
eine haufen fallen wolte, dann die Kaiserin zihe alles an sich und die regierung seie nicht bastant
zu abhelfung der eingrissnen unordnungen“.
172 Chroust, Reichstag 1613, 395. Zu Anna von Brandenburg siehe Kaiser, Anna von Preußen.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
back to the
book Die Kaiserin - Reich, Ritual und Dynastie"
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427