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und Entwicklung der drei- bis sechsjährigen Kinder widmen, elementare Bildungsein-
richtungen genannt. „Unter Elementarbereich werden alle Einrichtungen familiener-
gänzender Bildung und Erziehung nach Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum
Beginn der Schule verstanden.“63
6.2 Bildung und Erziehung
In der Verwendung der Begriffe Bildung und Erziehung wird aufgrund der Bedeutung,
die Ludwig Liegle im Bereich der Elementarpädagogik zukommt, dessen Unterschei-
dung von Bildung und Erziehung herangezogen. Er versteht, im Rückgriff auf Hum-
boldt, Bildung als „die geistige Selbsttätigkeit, durch welche das Subjekt sich in ein
Verhältnis setzt zur Welt der Dinge und Personen und zu einer inneren Repräsentation
der Welt und seines Verhältnisses zur Welt gelangt“.64 Mit dem Begriff Bildung wird
der Schwerpunkt auf die Aktivität des Kindes, das eigene Bildungsprozesse vorantreibt
und differenziertere Konzepte über sich und die Umwelt erwirbt, gelegt. Ergänzt wird
diese Definition durch den von Helmut Peukert formulierten, elementaren Sinn der
Bildung, der darin besteht, „in einer geschichtlich-konkreten Situation Identität und
Handlungsfähigkeit angesichts der Herausforderungen der Zukunft zu gewinnen“65
und durch Peukerts Beschreibung von Bildung als der Wille, „sich gegenseitig Leben
zu ermöglichen in einer gemeinsamen geteilten, endlichen Welt.“66 Bildung wird in
dieser Studie als geistige Selbsttätigkeit des jeweiligen Menschen gesehen, durch wel-
che sich der Mensch in ein Verhältnis zu sich selbst und zur Welt setzt, mit dem Ziel,
Handlungsfähigkeit und Identität angesichts der Herausforderungen der Zukunft67 zu
63 Definition des Strukturplans des Deutschen Bildungsrats und der Bund-Länder-Kommis-
sion für Bildungsplanung (1970/1971).
64 Liegle, Ludwig (2006): Bildung und Erziehung in früher Kindheit. Stuttgart: Kohlham-
mer, 94.
65 Biehl, Peter (22005): Die Gottebenbildlichkeit des Menschen und das Problem der Bil-
dung. In: Biehl, Peter/Nipkow, Karl Ernst: Bildung und Bildungspolitik in theologischer
Perspektive. Münster: LIT, 9–102, 21.
66 Peukert, Helmut (1987): Die Frage nach der Allgemeinbildung als Frage nach dem Ver-
hältnis von Bildung und Vernunft. In: Pleines, Jürgen-Eckardt (Hg.): Das Problem des
Allgemeinen in der Bildungstheorie. Würzburg: Königshausen & Neumann, 69–88, 69f.
67 In der Rezeption von Helmut Peukert schreibt Peter Biehl: „Soll Bildung der Heraus-
forderung der Zukunft gewachsen sein, dann ist sie Wissen um Fakten und Einsicht in
Funktionszusammenhänge, jedoch zugleich Widerstand dagegen, das Leben darauf
zu reduzieren. Bildung ist nicht nur auf Wissen und Können, sondern ebenso auf eine
Erneuerung der Einbildungskraft angewiesen, wie sie durch ästhetische und religiöse
Erfahrung ermöglicht wird; denn intersubjektive Kreativität entspringt nicht Appellen,
die sich an den Willen richten, sondern verdankt sich vor allem der transformatorischen
Kraft poetischer Rede.“ (Biehl, Peter (2005): Die Gottebenbildlichkeit des Menschen.
In: Biehl, Peter/Nipkow, Karl Ernst: Bildung und Bildungspolitik in theologischer
Perspektive, 9–102, 25).
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279