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viel weiterreichenden Orientierungsraum von Sinnentwürfen und Sinnerfahrungen
bewegen möchte.“132
Es wird von einer elementaren religiösen Lernfähigkeit und -offenheit ausgegangen, die
Grundlage „für rel[igiöses] Lernen, für die Entwicklung rel[igiösen] Bewusstseins u[nd]
indirekt für die Ausprägung vielgestaltiger Formen von persönlicher R[eligiosität] u[nd]
Spiritualität.“133 Kinder werden als Akteurinnen und Akteure ihrer Entwicklung gese-
hen, die fähig sind, sich zu Fragen des Lebens Gedanken zu machen, wie dies im Ansatz
des Theologisierens und Philosophierens mit Kindern verdeutlicht wird. Theologie mit
Kindern bedeutet, die Kinder „zu ermutigen und zu bestätigen, ihre Erfahrungen und
Fragen, ihren Glauben und ihre Zweifel sprechend und denkend selbst zum Ausdruck
zu bringen.“134 Religiöse Erziehung und Bildung werden in der heutigen Religionspä-
dagogik in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen gesehen,135 auch wenn der
Umgang mit diesen in den jeweiligen religionspädagogischen Konzepten variiert.136
6.8 Pluralität – Differenz
Die Auseinandersetzung mit Pluralität und Differenz verdeutlicht, in welchem
Bezugsrahmen der von der Autorin verwendete Begriff der Differenz zu verorten ist
und warum der Begriff der Differenz verwendet wird und nicht den Anspruch erhebt,
die komplexe Debatte zu Differenz, Diversität, Diversity etc. wiederzugeben.
Unter Pluralität137 wird eine „Situation von gesellschaftlicher, kultureller, religiöser,
weltanschaulicher usw. Vielfalt in ihrer bloßen Gegebenheit“138 verstanden. Pluralität
ist ein Faktum, das auftritt, sofern Menschen aufeinander treffen.
132 Schweitzer, Friedrich (2013): Das Recht des Kindes auf Religion, 129.
133 Hemel, Ulrich (2001): Religiosität. In: Mette, Norbert/Rickens, Folkert (Hg.): Lexikon
der Religionspädagogik, 1839–1844, 1842.
134 Schweitzer, Friedrich (2013): Das Recht des Kindes auf Religion, 145.
135 In früheren religionspädagogischen Werken werden andere Religionen im Zusammen-
hang mit religiöser Erziehung seltener erwähnt. So hebt beispielsweise Adolf Exeler in
seiner Situationsbeschreibung der religiösen Erziehung in säkularisierter Gesellschaft drei
Befunde hervor, wobei andere Religionen nicht erwähnt werden (vgl. Exeler, Adolf (1983):
Religiöse Erziehung als Hilfe zur Menschwerdung. München: Kösel 1983, 76–83). Religi-
öse Erziehung bedeutet für ihn „den Kindern angemessene positive Erlebnismöglichkeiten
zu bereiten“ (Exeler, Adolf (1983): Religiöse Erziehung als Hilfe zur Menschwerdung, 27).
136 Vgl. Kapitel „Entwicklung von Konzepten zum Umgang mit religiöser Differenz“ (Teil
V, 2.1.2.3).
137 Dass Pluralität ein Thema ist, dessen Bedeutung die Wissenschaft erkannt hat, wird in
der vielfachen und stetig wachsenden Literatur zu diesem Thema ersichtlich, weswegen
diese kurzen Ausführungen dazu dienen, das der Studie zugrunde liegende Verständnis zu
umreißen.
138 Schweitzer, Friedrich u. a. (2002): Entwurf einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik,
11.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279