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Eltern angeben, dass religiöse Erziehung zu Hause in der Familie stattfinden soll.941
Elementare Bildungseinrichtungen spiegeln Tendenzen in der Gesellschaft wider. „Am
Schicksal der Religion zeigt sich ein Strukturmerkmal der modernen Gesellschaft: das
Auseinanderbrechen von öffentlicher und privater Sphäre.“942 Diese Sicht, Religion zu
privatisieren, wird von mehreren Denkern kritisiert, so gibt Habermas zu bedenken,
dass Religion unfair aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen wird.943
Hinzu kommt, dass sich Pädagoginnen über unterschiedliche Religionen nicht aus-
reichend informiert fühlen und fehlendes Wissen über andere Religionen als Ursache
für die fehlende Thematisierung religiöser Differenz angeben. Sie ziehen es vor, über
Religion nichts zu erzählen, als etwas Falsches zu sagen. Dies zeigt sich auch in der
Studie von Lischke-Eisinger, in der deutlich wird
„dass sich viele Erzieher/innen nicht als kompetente Ansprechpartner/innen für die
Auseinandersetzung mit religiöser Vielfalt verstehen. So wird etwa von einer Erzie-
herin die These vertreten, dass die authentische Thematisierung einer Religion auch
die Zugehörigkeit zu dieser verlangt. Andere Erzieher/innen gehen zwar davon aus,
dass die Auseinandersetzung mit dem Wissen über andere Religionen eventuell von
ihnen initiiert werden könnte, deuten aber an, hier unsicher zu sein, sowohl was die
Inhalte als auch was die Frage betrifft, welche Art der didaktischen Aufbereitung für
die Kindergartenkinder sinnvoll sein könnte.“944
All die skizzierten Ursachen, warum Pädagoginnen und Pädagogen religiöse Diffe-
renz im Kindergarten nicht thematisieren, sind in religionspädagogischen Diskursen
aufzugreifen und in Überlegungen zur Personalentwicklung mit zu bedenken.
2.3.3 Interreligiöse Aspekte der Aus , Fort und Weiterbildung forcieren
Aufgrund der Bedeutung der in elementaren Bildungseinrichtungen Tätigen und deren
vielfältigen Aufgaben bezogen auf den Umgang mit religiöser Differenz benötigen im
Kindergarten Tätige vielfältige interreligiöse Kompetenzen.945 Der Umgang mit Dif-
ferenz sollte zu einer Schlüsselqualifikation und zu einem zentralen Bereich pädago-
gischer Aus-, Fort- und Weiterbildung werden946 und die Pädagoginnen und Pädago-
941 Vgl. Braun, Anne u. a. (2011): Was Eltern erwarten und erfahren. In: Biesinger, Albert/
Edelbrock, Anke/Schweitzer, Friedrich (Hg.): Auf die Eltern kommt es an!, 43–120, 120.
942 Mette, Norbert/Steinkamp, Hermann (1983): Sozialwissenschaften und Praktische Theo-
logie, 48.
943 Vgl. Habermas, Jürgen (2001): Glauben und Wissen. Friedenspreis des Deutschen Buch-
handels 2001. Berlin: Suhrkamp.
944 Lischke-Eisinger, Lisa (2012): Sinn, Werte und Religion in der Elementarpädagogik, 377.
945 Vgl. Biesinger, Albert/Schweitzer, Friedrich (2013): Religionspädagogische Kompeten-
zen.
946 Die Auseinandersetzung mit Differenz verweist auf ein generelles Ausbildungsproblem
der mit Kindern im Bereich der Elementarpädagogik Arbeitenden, dem durch das der-
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279