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von mir nicht korrigiert wurde, da ich so die eingenommene Naivität bewahren und
Fragen stellen konnte, die durchaus selbsterklärend zu sein schienen.576
4.2 Beeinflussung des Kontextes durch den Gang in das Feld
Die am Kindergartengeschehen Beteiligten wussten, dass sich meine Forschung mit
religiöser Vielfalt auseinandersetzt, da ich es im Sinne der Forschungsethik für ange-
bracht hielt, dies offenzulegen, allerdings wurde die genaue Forschungsfrage nicht
erläutert. Durch den Gang ins Feld und das ungefähre Nennen des Themas meines
Forschungsprojektes bewirkte ich, ohne dies bewusst zu initiieren, eine Auseinan-
dersetzung mit dem Thema bei den Akteurinnen und Akteuren im Kindergarten. So
erzählte die Leiterin in einem Gespräch mit anderen Leitungen von meinem Projekt,
weshalb sie zum Umgang mit religiöser Vielfalt Stellung zu beziehen hatte. Auch dem
Feiern des Opferfestes im Kindergarten in katholischer Trägerschaft lag das Bestreben
zugrunde, wegen meiner Anwesenheit im Kindergarten religiöse Vielfalt zu themati-
sieren, um für mein Forschungsprojekt etwas anzubieten. Die Kinder im Kindergarten
in islamischer Trägerschaft interessierten sich durch meine Anwesenheit beim Koran-
unterricht verstärkt für meine Religion und meine religiösen Ausdrucksformen.
„Solange wir uns nur theoretisch mit religiöser Erziehung beschäftigen, können wir
einer Schwierigkeit ausweichen, die uns sofort zu schaffen macht im konkreten erziehe-
rischen Alltag. Sie besteht darin, daß das Verstehen einer Situation und das Eingreifen
in eine Situation nicht voneinander getrennt werden können. In der Praxis haben wir
immer eine Verknüpfung von beidem: unser Beobachten ist zugleich ein Intervenieren,
als Erziehende verstehen wir implizit oder explizit. Wir wissen nie, ob das, was wir
sehen, ein Ausdruck des Kindes ist oder bereits eine Reaktion auf eine Intervention
unsererseits. Bereits die Tatsache unserer Anwesenheit ist eine Intervention und pro-
voziert beim Kind eine Bedeutungsbildung, wie das ja auch umgekehrt der Fall ist.“577
Diese Beeinflussung kann als Stärke von ethnographischen Arbeiten gesehen werden.
Indem die eigene Anwesenheit Veränderungen oder ein bestimmtes Verhalten hervor-
ruft, kann beobachtet werden, wie sich die eigene Anwesenheit auf die Personen im
Feld auswirkt, was weitere Aufschlüsse über das Forschungsfeld mit sich bringen kann.
4.3 Unbeabsichtigte Expertinnenrolle der Forscherin
Trotz mehrmaligen Erwähnens meiner Rolle als Forscherin und meiner Aufgabe, den
Ist-Zustand in dem Kindergarten zu erheben und nicht Änderungen oder Interventi-
576 Vgl. Wolff, Stephan (2012): Wege ins Feld und ihre Varianten. In: Flick, Uwe/von Kar-
dorff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, 334–349, 349.
577 Schori, Kurt (1998): Religiöses Lernen und kindliches Erleben. Eine empirische Unter-
suchung religiöser Lernprozesse bei Kindern im Alter von vier bis acht Jahren. Stuttgart/
Berlin/Köln: Kohlhammer, 145.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279