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1.1. ELTERN 25
Hans Bibels letzter Artikel in der DJZmit demTitel HunderttausendMannReichs-
wehr! ,56 veröffentlicht am 16.2.1933, verfaßt alsomutmaßlich noch vorHitlersMachter-
greifungam30.1.1933, läßt einen ratlosenLiberalenerkennen,dergegenKonfessionsschu-
len und Spaltungen plädiert undmit folgendem Fazit! endet: Noch eine Feststellung:
Die HunderttausendMann Reichswehr sind heute der einzig übriggebliebene Garant der
Ordnung in Deutschland. Vieles schwingt in diesem allerletzten Satz von Hans Bibel
in der DJZ mit: Die Resignation angesichts der damaligen gesellschaftlichen Zerrissen-
heit ohne jeglicheverläßliche staatlicheOrdnung; vielleicht etwas letzteHoffnung, daßdie
Reichswehr und deren öffentlicher Repräsentant Hindenburg die Entwicklung doch noch
in bessere Bahnen lenken könnten; die Überzeugung, daß die Reichswehr jedoch keine
wirkliche gesellschaftliche Ordnung bringen könnte (deshalb eben Ordnung in Anfüh-
rungszeichen); gleichwohl ein gewisser Respekt vor der Reichswehr, der nicht zuletzt auf
seinenErfahrungen im letztenKriegsjahr 1918basierte.Dieser seinRespekt könnte einer
der Erklärungsgründe dafür sein, warum er sich bereits zwei Jahre später wieder zum
Militärmeldete.
ÜberJahrehinweghatderGAderABJüberalleMeinungsunterschiedehinwegoffenbar
bestens zusammengearbeitet.Der 1.LandesvorsitzendenderABJ, JosefPflanz, charakte-
risierte die Zusammenarbeit als ideal . HitlersMachtergreifung zwang imFrühjahr 1933
den GA jedoch zu einer grundlegenden Entscheidung: Mitmachen bei den Nazis oder
Rücktritt. Pflanzwar fürMitmachen, Bibel fürRücktritt. Offensichtlich inAbstimmung
untereinander forderteHansBibel imNamendesGAalleOrtsgruppenundEinzelmitglie-
der auf, anläßlich der aktivenHinwendung von Pflanz an die gegenwärtige Revolution
zu erklären, ob Pflanz das Vertrauen der Mitglieder der ABJ noch besitzt .57Nur fünf
Ortsgruppen und zwei Einzelmitglieder beantworteten diese Vertrauensfragemit nein.58
Das ist ein Lehrbeispiel, aus demman auch heute noch vieles sowohl über die Anfänge
des Nationalsozialismus als auch über analoges Verhalten in unserer Zeit lernen könnte;
wider mögliches besseresWissen lassenMenschen die Dinge lieber ihren Lauf nehmen,
auchwenn dieser letztlich gegen ihre eigenen Interessen geht.
Die Quittung für diese mangelnde Zivilcourage folgte auf dem Fuße: ab der Nummer
16/17 des 25. Jahrganges vom 10.9.1933 fungierte nicht mehr die ABJ, sondern Josef
Streicher, der Gauamtsleiter des NSLB vonMünchen-Oberbayern, als Herausgeber und
einem Streitgespräch mit Paul Oestreich nach Kulmbach eingeladen, sodaß die Beschäftigung mit ihm
auch hierdurch ausgelöstworden sein könnte. Siehe dazu S.294 in J.Guthmann, aaO.
56DJZ25(4), 26f (16.2.33).
57DJZ25(7), 53 (1.4.33).Sieheauch:OttoBarthel,DieSchulen inNürnberg1905-1960,Nürnberg1963,
S.296ff.
58Die Informationen hierzu finden sich in J.Guthmann, aaO.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427