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1.2. GROßELTERNUNDVORFAHREN 47
nicht befreien konnten.DazugehörtenLisl, Fritz undLoni. Lislwurde als ältesteTochter
von Anfang an so stark in den Haushalt eingespannt, daß ihr dadurch zeitlebens eine
Heirat oder ein Partner quasi verwehrt blieb. Nach demTod derMutter mußte sie die
Haushaltsführung vollends übernehmen, die sie mit großemFleiß energisch in der Hand
behielt.
Die beidenSöhneFritz undLoni habennachderVolksschule beide das Schreinerhand-
werk erlernt und ihrenMeister darin gemacht. Beide wurden wohl so gut wie immer in
der Fabrik des Vatersmit eingespannt. Offenbar vermied es der Vater, einenNachfolger
unter den beiden zu favorisieren. Dadurch hatte keiner der Söhne jemals die Chance,
sich mit moderneren Produktionstechniken und deren Grundlagen vertraut zu machen,
so neue Impulse von außen einzubringen unddie in einemderartigenBetrieb immerwie-
der erforderliche Erneuerung undOptimierung in Angriff zu nehmen, vor allem sich zu
einer eigenen unternehmerischenFührungspersönlichkeit zu entwickeln. So blieb dasUn-
ternehmen bis nach Kriegsende unter der dominanten Regie des Seniorchefs. In dieser
ambivalenten Situation wagte offenbar auch keiner der beiden Söhne vor dem 39ten Le-
bensjahr zu heiraten. Erst die Kriegsteilnahme ließ die beiden so weit heranreifen, um
diesen Schritt zurEigenständigkeit undHeirat endlich zu gehen.
In den darin zum Ausdruck kommenden Einstellungen des Vaters dieser Söhne, die
man unter wirtschaftlichen Erfolgsaspekten auch als Versäumnisse bezeichnen könnte,
dürfte die tiefere Erklärung dafür liegen, daß dasUnternehmen in denNachkriegsjahren
denAnschluß an eine neue Entwicklung hinsichtlich der Fertigungstechniken ebenso wie
der amMarkt präferierten Modelle verpaßte und im Oktober 1975 den Betrieb (ohne
Insolvenz) einstellen mußte, während damalige Konkurrenten wie die oben beispielhaft
genannten FirmenRauch,Mahler undPopp bis heute erfolgreich agieren.114Mit diesem
einseitigenVergleich soll aberdieErfolgsgeschichtederFirmaRiegelbauernicht geschmä-
lert werden. Dennman könnte den drei beispielhaft ausgewählten erfolgreichen Firmen
zahlreicheUnternehmen aus der gleichenBranche gegenüberstellen, die ebenfalls in jener
Zeit der Jahrhundertwende gegründetwurden, die aber nicht oder nur kurze Zeit erfolg-
reich operierten, die in jedemFall längst vomMarktwieder verschwunden sind. Auf der
114ImmodernenManagementsprichtmanhiervom Effektdes Innovator'sDilemma :Unternehmen,die
erfolgreich in einerTechnologie sind wie die vomGroßvater zu seiner Zeit gut konzipierte industrielle
Produktion von Schlafzimmern haben Schwierigkeiten, bei einemTechnologiebruch auf neue Unter-
nehmenskonzepte umzusteigen, wie etwa der Einführung der Fließbandtechnik durch Henry Ford 1913
oder gar von IT-Technik in Fertigungsprozessen in den 1960/70er Jahren auf der Grundlage von CNC
(computerized numerical control bzw. rechnergestützte numerische Steuerung). Siehe dazu zB. IM+io,
DasMagazin für Innovation,Organisation undManagement,Heft 1, 2015, S.10.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427