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62 KAPITEL2. KINDHEIT
und auch später niemand gedacht hat, sind die rein körperlichenVeränderungen, diemit
einem solchen Bruch einhergehen und auf diemich erst fünfzig Jahre später Rita Holst,
eine hervorragendePhysiotherapeutin in Lindenberg (später inOberstdorf) aufmerksam
gemachthat.MeinebeidenBeinehatten seitdemnämlichunterschiedlicheLängen,wobei
das linke mit dem verheilten Bruch trotz der Streckung etwas kürzer blieb. ImGefolge
davon entwickelte sich eine seitliche Krümmung derWirbelsäule, eine einseitige Schädi-
gung der Bandscheiben in der Lendengegend und ein aus dieser gekrümmten Haltung
resultierendesHochziehender linkenSchulter.Dies alles kamdurchRückenschmerzen ins
Bewußtsein, die ich dann aber durch einen von FrauHolst empfohlenen bewußten Aus-
gleich dieser Schieflage ua. Buch als Unterlage unter der linken Pobacke beim Sitzen
weitestgehend überwinden konnte.
ObdaserneuteAuftretenderKrankheitskombinationNierenentzündungundScharlach
imAlter von fünfzehn Jahren, von der auf S.143 noch die Rede sein wird, ein Zufall ist
oder mit jener Erkrankung im Alter von vier Jahren doch kausal in Beziehung stehen
könnte, kannniemand sagen; bemerkenswert ist dieKoinzidenz allemal. In summawaren
die Folgen jenesUnfallsmit demRollwagen, auf den das lange Siechtumzurückzuführen
ist, jedenfallsdramatisch,vielleichtaber jaauch ingewissemSinnepositiverNatur,haben
siemich doch leiden und geduldig ertragen gelehrt, eine Lehre, zu derenAnwendungmir
das spätere Leben ausreichendGelegenheiten verschaffte.
Nicht daß ich gerne gelitten hätte! Meine Tante Rola (Karola Michel) erzählte die
Geschichte eines relativharmlosenSturzes, der einüblichesKindergeheul ausgelösthatte.
Sie versuchtemichmit folgendenWorten zu beruhigen: denk doch an die Soldaten, die
imKrieg sind und noch viel Schlimmeres ertragenmüssen , worauf ich wimmernd, aber
nachdrücklich gesagt haben soll: ich will aber kein Soldat sein , ein früher Vorsatz, den
ich bis heute durchhalten konnte.
Mögen diese Krankheitswochen von allen Beteiligten auch besonders einschneidend
empfunden worden sein, so scheinen sie gleichwohl nicht prägend für mein nachfolgen-
des Leben gewesen zu sein. Jedenfalls zeigen die Bilder dieser Jahre in den Alben fast
immer einen fröhlichenBuben, oft gemeinsammit seiner ebenso fröhlichenSchwester.Als
die umdreieinhalb Jahre deutlichÄltere führt sie natürlich beimanchenTätigkeitenwie
Schiffschaukeln31 oder Rollwagenfahren (so.) das Kommando, wenn auch neben ihr der
kleinere Bub immer einen sehr selbstbewußten Eindruck hinterläßt.Was natürlich nicht
heißt,daßes wiebeiallenKindern nichtauchZwistigkeitengegebenhätte.Beispiels-
weise ist mir die Szene in Erinnerung geblieben, bei der michmeine Schwester drohend
31FAWB2, S.23.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427