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2.3. DIEZEIT INGEORGENSGMÜND 73
Irgendjemand muß während des Angriffs noch am Haus gewesen sein. Denn meine
Schwester erinnert sich, daß Möbel und Einrichtungsgegenstände auf den Gehsteig vor
demHausausdembrennendenGebäudegeräumtwurden.EskönntendieMieterSchmidt
und/oder Reif gewesen sein, wobei Schmidts in jener Zeit (ebenso wie wir) so oft wie
möglich beimVater vonFrau Schmidt in Sonthofenweilten, der dort als LandratWaller
tätigwar.
Wie oben erwähnt fand tags darauf am23.2.45 inGmünddieHochzeit vonFritz statt.
Icherinneremich,daßer indiesenTageninNürnbergwarunddenAuftraghatte,nachun-
seremHauszu sehen.ErkammitderNachrichtvonderZerstörungzurückundberichtete
zudem, daß unsere Nachbarn von der anderen Straßenseite angesichts des unbewachten
brennenden Hauses die Gelegenheit zur Plünderung genutzt hatten.Wir hatten so gut
wie alles verloren,wasmeineEltern inden ersten 18Jahren ihrerEhemit großerEnergie
aufgebaut hatten. Damit war auch die vorübergehende Evakuierung nach Gmünd eine
endgültige geworden.
Die letzten Kriegsmonate waren für den kleinen Jungen auch dort mit aufregenden
Kriegserlebnissen verbunden.MeineMutter nahmmich auf ihreBesorgungstouren in der
näherenUmgebungmit demFahrrad imKindersitzmit. Bei einer solchenTour auf einer
ländlichenStraßewurdenwir von feindlichenTie iegernüberflogen.MeineMutterbesaß
ein tiefesUrvertrauenundübertrugdieses aufmich, nichtnur indieser Situation sondern
wohl inmeiner gesamtenKindheit. Sie radelte einfach unbeirrt weiter.
Auf der Bahnstrecke vonGmündRichtung Roth wurde in jenen Tagen ein Güterzug
vonderartigenTie iegern völlig zerschossen und lag dann als bestaunenswerte Zugruine
amAusgang von Gmünd, deren ausgiebige Besichtigung ich ebenso wie alle Buben des
Dorfesmir natürlich nicht entgehen lassen konnte. Daswarwohl der einzigeAngriff, der
sich in derUmgebung vonGmündwährend desKrieges ereignet hat.
Mitte April 1945 erreichten die ersten Einheiten der 7. US-Armee den mittelfränki-
schen Raum. Gleichwohl gab es auch damals völlig Unbelehrbare, die noch immer an
einenmöglichen Sieg derDeutschen glaubten.Die zweiHäusermeinesGroßvaters an der
FriedrichsgmünderStraße standendirekt amBahndammundvor einerUnterführung. Ich
trage noch heute das Bild inmir, wie zwei junge Heißsporne undHalbstarkemit Hand-
granatenbepackt andenbeidenSeiten dieserUnterführung inDeckung stehen bereit,
der amerikanischen Armee so den Weg in das Dorf zu versperren. Ob sie der damals
in Deutschland noch aktiven Gruppe Werwolf angehörten, vermag ich nicht zu sagen.
Irgendein vernünftiger Ortsbewohner hat dann aber so lange auf sie eingeredet, bis sie
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427