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86 KAPITEL2. KINDHEIT
östlichen Ecke von dessen Südseite angebracht. Sie bestand aus einem kleinen Holzver-
schlagmitHolztüre, nach außen offen unddaherwinterswie sommersmit der jeweiligen
Außentemperatur auch imÖrtchen, also beispielsweise imWinter arschkalt.Der Sitzwar
ausHolzmit einer ausgeschnittenen, für einKindviel zu großenÖffnungdarin.Darunter
sammelten sich dieFäkalien in einemwachsendenTurman, der imWinter gefror und im
Sommer intensivsteGerüche verströmte.AlsToilettenpapier dienten zurechtgeschnittene
Zeitungen.
Als zusätzliches Familienmitglied holten wir uns eine junge Schäferhündin, namens
Hala, vonderFamilieWechsler inEckersmühle, die auf demWegvonGmündnachSpalt
liegt. Sie brach zwar gleich inden erstenTagenaus ihremZwinger imGeländederFabrik
über einenmehr als zweiMeter hohenZaunwieder aus, umzu ihremvormaligen, etliche
Kilometer entfernten Zuhause zurückzukehren, fügte sich dann aber doch gerne in ihr
neues Rudel ein.
Zudemhieltenwir uns imScheunengebäude Stallhasen, diemandann auch schlachten
konnte falls sie nicht vorher vonHala gerissenwurden, was trotzKäfiggitter vorkam.
DasFutter für dieHasen holte ich von denWiesen hinter demEisenbahndamm,was vor
demWiesenbesitzer Karl Heiden verheimlicht werdenmußte. Die Iltisse im Scheunenge-
bäude, deren Anwesenheit schon an ihrem scharfen Geruch erkennbar war, wurdenmit
FallengefangenundderenFell veräußert.VondenBauernwurdenZuckerrübenerstanden
und imHofgelände desHauses zu Sirup verarbeitet. Durch die Einbindung von unsKin-
dern in all diese sowie die nachfolgend beschriebenen Tätigkeiten ergaben sich für mich
vielgestaltige Lernerfahrungen, diemir späterwohl sehr zugute kamen.
Bauern gab es überall ringsum. Für diese Berufsgruppe, vorausgesetzt sie hatten kei-
ne Kinder imKrieg verloren, waren die Auswirkungen des Krieges und der Nachkriegs-
zeit vergleichsweise amharmlosesten. Zerstörungenhat es auf demLande kaumgegeben.
Landwirtschaftliche Produktewaren immer gefragt und die Produktionwurde praktisch
nicht unterbrochen. In der Zeit größter Not unmittelbar nach demKrieg waren Bauern
auf demHöhepunkt ihresAnsehens.
DurchMitarbeit beim Heuen, Kartoffelkäfer sammeln, Kartoffelernten und vor allem
beimHopfenzupfen hatte sich meine tüchtige Mutter samt ihren beiden Kindern deren
Gunst erworben, sodaß es uns auch in jener Zeit nie an Essen gemangelt hat. Zudem
wurdendieVorräte durch gezieltesHamstern imbäuerlichenUmfeld aufgestockt. So sind
wir mehrfach in die relativ abgelegene, aber fruchtbare bäuerliche Region südlich der
Altmühlmit demFahrrad gefahren. Unter anderemwar derOrt Seufersholz Ziel solcher
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427