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2.3. DIEZEIT INGEORGENSGMÜND 87
Fahrten. Dort gingen wir dann von Hof zu Hof und erbettelten alles Eßbare wie Brot,
Eier, Fleisch, teilweise auch gegenTauschobjekte.
Die FahrtenmitMutter und Schwester durch das schöneFrankenlandwaren natürlich
immer besondere Erlebnisse.WennmichmeineMutter dann aber alleine in einen dieser
Bauernhöfe schickte, während sie derweil andere abgraste, waren das für mich beklem-
mendsteMomente.Denn dieseHöfe hatten keineKlingeln.Manmußte in denEingangs-
flur eintreten und sich dortmitRufen bemerkbarmachen.DieseFlurewarendunkel und
schon daswar für einen kleinenBuben in völlig fremderUmgebung furchterregend. Und
was sollte ich dann sagen, wenn sich eine Türe öffnete und eine fremde Bäuerin zum
Vorschein kam?Meine Erfolge dabei ganz imGegensatz zu denenmeinerMutter
waren denn auch spärlich und bestanden beispielsweise aus einemEi oder einer Scheibe
fein nach Sauerteig duftenden Bauernbrotes. Diese abschreckenden Erfahrungen stecken
noch immer tief inmir (genauso wie die analoge Erfahrung bei der Essensausgabe nach
demFliegerangriff imGasthofLinhard, die ich imAbschnitt 2.2.3 beschriebenhabe) und
habenmutmaßlichmein späteresVerhaltensmustermit geprägt.
Fahrradfahrten innahegelegeneWälder,vorallemindiejenigenumMaukherum,brach-
tendagegenkeine solchunangenehmenBegleitumständemit sich.Dortgabes imSommer
ein reiches Angebot an Schwarz- und Preiselbeeren79 sowie an Pilzen wie beispielsweise
Pfifferlingen.SolcheAufenthalte imWaldwaren fürmichdie reineWonne,weil es ringsum
soVieles zu entdecken gab. Leider warmeine Ausbeute beimBeerensammeln auch hier
eherkärglich, einfachweil dieseBeeren jaauchwunderbargeschmeckthabenunddeshalb
gerne insKröpfchen statt insTöpfchenwanderten.MeineMutter hat's geduldet.
ImJuli durfte eineFahrradtour in das nahegelegeneGroßweingarten nicht fehlen.Dies
ist invielerHinsichteinganzbesonderesDorf inFranken.Es liegt südwestlichvonGmünd
undsüdöstlichvonSpaltundzwarauf einemBergrücken,dem450mhohenund fast100m
über demumgebendenNiveau herausragendenMichelsberg am südlichenRand des Tals
der fränkischen Rezat. An seinem klimatisch durch diese Lage besonders begünstigten
Südhang unterhalb des Dorfes ist seit Jahrhunderten bis heute ein ertragreicher Kirsch-
garten angelegt.Welch einErlebnis für einenBuben, diese betörend süßenFrüchte direkt
vomBaum kosten und essen zu dürfen! Großweingarten zählt auch sonst, nicht nur zur
Kirschblüte, zu einemder schönstenStraßendörfer vonganzDeutschland.Wennauchdie
Anfahrt mit dem Fahrrad den steilen Berg hinauf recht mühsam ist, so lohnt dafür die
schnelle Fahrt hinab auf demWeg zurück nachHause.
79Diese beidenWaldbeerenarten tragen regional sehr unterschiedlicheNamen; hierwerdendie inFran-
ken geläufigen verwendet.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427