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2.4. NEUANFANGINNÜRNBERG 101
Hiebe auf seinen Hosenboden bekommen. Er kam aus einer sozial zerrütteten Familie,
die imBlock wohnte, einer Sozialsiedlung imWesten vonMögeldorf, und er hatte halt
oft seine Hausaufgaben nicht gemacht. Dafür gab es dann Prügel, die ich ebenso wie in
Georgensgmündzutiefstverabscheute.Auch ichhatteeinmal samtmeinemBanknachbarn
wegen Schwätzens den harten Stock auf meinen Händen zu spüren bekommen und bin
dabei furchtbar erschrocken,weil Hagen sich unbemerkt angeschlichen hatte.
Meine Schulleistungen waren auch hier in Nürnberg bestens mit Einsen in fast allen
Fächernausgenommen inSchrift, teilweise inDeutschund später inLeibesübungen sowie
zunehmend auch in Betragen, wo es dann eben jeweils nur zu einer Zwei reichte. Ein
anständiger, fleißiger Junge, dermit Lust u. Liebe immer bei der Sache ist liestman im
Abgangszeugnis amEndeder viertenKlasse.Dabei ist ausheutigerSichtbemerkenswert,
daß wir als Kinder bei den Hausaufgaben völlig auf uns allein gestellt waren, da mein
Vater sich zuhause ohnehin wenig einmischte und meine Mutter sich ihrer Grenzen in
Hinsicht auf schulischeAufgaben sehr bewußtwar.
Meine Schrift ist tatsächlich bis heute nie die allerbeste gewesen. So liegt im FAWB1
ein Blatt, das ichmutmaßlich Anfang der fünfziger Jahre beschrieben habe. Die Schrift
darauf ist unterallerSau ,wiemansagt.Heutebin ichdavonüberzeugt,daßessichdabei
um eine angewöhnte Verkrampfung im Schulterbereich gehandelt hat, die ich bis heute
nicht überwinden konnte.94 Neben der Schrift sind ein Zittern beim Aufnehmen einer
Tasse, beim Bogenstrich auf der Geige, generell Phänomene eines essentiellen Tremors
und ein tägliches Ringen gegen angezogene Schultern weitere Symptome dieser durch
Fehlhaltung erworbenenVerkrampfung.Eltern undLehrern vondamals undheute fehlte
und fehlt es anWissenundderZeit,KinderdurchkorrigierendenEinflußerst garnicht in
entsprechende Fehlhaltungen verfallen zu lassen, die später dann kaummehr rückgängig
gemacht werden können.Wer wie ich Pech hatte und in ein solches Loch gefallen war,
kommt daraus ohne erfahrene Hilfe so gut wie nicht mehr heraus. Gleichwohl konnte
ichmit diesem spezifischen und nicht allzu gravierendenManko ganz gut durchs Leben
kommen.
Meinkurzer Schulweg führte vonderSchmausenbuckstraßedurchdieBlütenstraße, die
in einen Feldweg überging, bis rechts ab zum Bahnübergang direkt an der Schule. Ich
teilte diesenWegmit demeinigerweitererMitschüler, allen voranmitGerdFleischmann
aus der Eichenstraße, mit demmich bis heute eine langjährige Freundschaft verbindet.
Damals hat es auf demFeldweg aber erst einmal eineRaufereimit ihm gegeben, infolge
94DasBild inFAWB2, S.40, zeigt,welch aufrechteHaltung ich amBeginnmeiner Schulzeit als Sieben-
jähriger noch hatte. In denBildern einige Jahre später sind die vor- bzw. hochgezogenen Schultern und
die zunehmendeKrümmung desRückens immer klarer zu erkennen.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427