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2.5. BEGINNDERGYMNASIALZEIT 115
Vormittagen statt,wobei esdanndurchausauchWechsel indenKlassenzimmerngegeben
habenmag, woraus sich der damalige Begriff Wanderklassen ableitet. Zum Sport ging
es in ein Hallenschwimmbad in der Innenstadt bzw. an einem bestimmten Nachmittag
derWoche zumWaldsportplatz des TSV 1846 an derWeißenseestraße in Erlenstegen,
wo wir nach der Sportstunde dann imWald auch noch gerne Räuber und Gendarm
spielten.Erst zumSchuljahresbeginn 1952wurde amGymnasiumein neuerTrakt ander
OstseitedesMelanchtonbaus fertiggestellt, indemsichdannaucheineTurnhallemitallen
entsprechendenEinrichtungen und einemkleinenFreigelände fürWeitsprung befand.
MeineErinnerungen andenUnterricht der erstenbeidenKlassen selbst sind sehr spär-
lich,wie iches schon fürunserenKlaßleiter angedeutethabe.Diean jedemUnterrichtstag
mehrfach wechselnden Lehrer prägten sich halt nicht so nachhaltig wie der permanente
Lehrer in der Volksschule ein. In guter Erinnerung ist mir das beeindruckende Erlebnis
geblieben, die erste Fremdsprache, nämlich Latein, lernen zu dürfen (mutmaßlich unter-
richtetvonStudienassessorMichaelSuttner).EsgingimLehrbuchmitagricola,derBauer,
los,wie ichnoch sicher zuwissenmeine.Eine rechtnegativeErinnerunghabe ichdagegen
an die folgendenTeile desMathematikunterrichts, dermir ansonsten nie Schwierigkeiten
bereitet hatte.
Der Lehrer, höchstwahrscheinlichHerr Studienrat Schmitt, versuchte bei uns Schülern
ua.dasZiel zuerreichen,dasEinmaleinsmitFaktorenbis20auswendig imKopfverfügbar
zu haben. ZumTest und zur Bewertungskontrolle begannen viele derMathematikstun-
denmit einigenTestminuten, die so abliefen: er nannte zwei Faktorenwie beispielsweise
17mal 13 undwir hatten gerade so viel Zeit wie nötig ist, um das fertige Ergebnis nie-
derzuschreiben.Wer versuchen wollte, das Ergebnis mit 10×17+3×17 oder gar mit
10×17+3×10+3×7 zu bestimmen, hatte aus Zeitgründen sofort verloren.117Unsere
in solchenTests erzieltenLeistungenwurden selbstverständlichauchbewertetundflossen
indieBenotungdesFachs ein.Ein gutes undvor allem raschesGedächtniswarniemeine
Stärke,weshalbdieserTeil desdamaligenMathematikunterrichts fürmicheinHorrorund
eine lange andauernde und bis heute unvergessene angsterfüllendeQualwar.
Auchheutenochbeurteile ichdenpädagogischenWertdieserMethodeals höchst zwei-
felhaft; zumindesthat sienichtsmitMathematik zu tun.Natürlichhilft es impraktischen
Leben, dasEinmaleins fürFaktorenbis 10 imKopf zum jederzeitigenAbruf verfügbar zu
haben. Dazumußman 100 Zahlentripel so imKopf parat haben, daß die Nennung der
beiden ersten Zahlen den Ergebniswert imKopf reflexartig erscheinen läßt. Aber schon
zurEinübungdiesesReflexverhaltens sollte ein guter, psychologisch geschulterMathema-
117Selbst trickreichereBerechnungsmethodenwiedie folgendehätten,wennwir siedenndamalserfahren
hätten, wohl auch zuviel Zeit erfordert: (17+3)×10+7×3.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427