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3.1. ENDEDERGYMNASIALZEIT 163
Genausowichtig erscheintmir die Vermittlung einesGefühls fürGeschichte und ihrer
Struktur. Da unserGeschichtsunterricht wiederum sehr fakten- und gedächtnisorientiert
gestaltet wurde, habe ichmir diesesGefühl erst viel später durch großartige Bücher wie
den Friedell 10 selbst erarbeitet. Geschichte, die vorwiegend aus Jahreszahlen, Namen
vonHerrschern,Kriegen etc. besteht, ist blutlos undnahezu sinnlos. Zusammenhänge
vorallemauchmitderJetztzeit zuvermitteln fälltGeschichtslehrern,wenigstensdenen
meinerSchulzeit, nicht leicht.AngesichtsmeinerbeschriebenenSchwäche inBezugauf ein
memorierendesGedächtnis istmirausdemGeschichtsunterrichtderSchulzeitdaheraußer
leeren Sprüchen wie drei drei drei, bei Issus Keilerei nicht wirklich etwas Brauchbares
geblieben.
Das FachReligion steht in allen Zeugnissen aus leicht erkennbarenGründen an erster
Stelle. Dabei ist es das inhaltsleerste Fach von allen, brauchbar nur zur Aufbesserung
des Notendurchschnitts. Dabei könnte man in der gleichen Zeit durchaus eine überzeu-
gendeEthik oder ein fundierteresGefühl für dieBedingungen dermenschlichenExistenz
vermitteln.
Ähnlich dürftig empfinde ich die Ausbeute aus dem Fach Turnen, was ich schon im
Abschnitt 2.5.2 genauer begründet habe.Der aus dieserEinschätzung resultierendeman-
gelndeRespektvordemTurnlehrerWeihmann,denwirwohlneun langeJahre langerdul-
denmußten, trieb inmeinenpubertärenFlegeljahrendannbesondereBlütenvollerSpott.
Beispielsweise schickte dieser die ganzeKlasse zum 1000m-Lauf für die dazu benötigten
zweieinhalb Runden um den Sportplatz, der mit einer etwa ein Meter hohen Brüstung
umgebenwar.Wenn er nach demStartpfiff quer über denPlatz zumZiel lief und dabei
nicht auf uns achtete, sprang ich über die Brüstung und wartete dort versteckt, bis der
HaufenzweivolleRundenohnemichabsolvierthatte.Dannsprang ichzurückundmisch-
temichwiederunterdenHaufen, spartemir sodieMühenvon800der 1000Meter.Oder,
wennerunsereZeiten im100m-Lauf inVierergruppen stoppteundderwartendeRestder
KlasseaufderTribünesaß,winkte ichdiesenwährendmeinesgemütlichabsolviertenLau-
fes jovial zu.Über derartige Provokationen konnte er sichmaßlos ärgern, was unsereinen
dannumsomehrerfreute.Überein befriedigend bin ichsoniehinausgekommen,erfreute
mich in denKlassen 6 und 7 sogar über ein ausreichend , was in krassemGegensatz zu
meinerkörperlichenKonstitutionundmeinen sportlichenFähigkeitenbeispielsweisebeim
Skilaufen stand.
10Friedell, Egon,Kulturgeschichte derNeuzeit, C.H.Beck,München, 1989.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427