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234 KAPITEL3. ZIELSUCHE
Dabei war ichmeinenEltern zugetanwie eh und je.Wenn auch sehr reduziert, so ha-
benwir auch in jenen Jahren gemeinsamnochEiniges unternommen.Beispielsweise fuhr
ichmit Ihnen in ihrem1959 erstandenenAuto, einemgebrauchten, aber gepflegtenOpel
Kapitän, auch zu unseren Freunden Bauer nach Bayreuth. Aber auch dabei gestaltete
sich die Rückfahrt etwas schwierig, weil ich als Fahrer mit 100km/h auf der Autobahn
nach demEmpfindenmeines in gewisser Hinsicht etwas ängstlichenVaters eine zu hohe
Geschwindigkeit gewählt hätte, was der junge Dickschädel einfach nicht einsehen woll-
te. Diese gelegentlichen Schwierigkeiten blieben aber oberflächlich undwaren eben ganz
meiner jugendlichen Entwicklung geschuldet. Im Sommer 1960 überraschte mich mein
Vater auf der Durchfahrt zu einem Kuraufenthalt nach Bad Kissingen in Erlangen so-
garmit einemungewöhnlichenBesuch, bei dem ermir 100DMeinfach so zumGeschenk
machte, worüber ichmich damals riesig gefreut hatte. Erst infolge meiner heutigen Re-
cherchen kann ich schließen, daß er damals wohl zum erstenMal Tandiemen aus seinen
AufsichtsratspostenerhaltenhatteundausFreudedarüberauchseinemSohnetwasdavon
abgebenwollte. Von demGeld kaufte ichmir einen relativ teuren Schreibtischstuhl, der
meine Sitzhaltung bei meiner fast ununterbrochenen Schreibtischtätigkeit unterstützen
sollte und diesenDienst dann auch Jahrzehnte geleistet hat.159
Meine ungewöhnliche Entwicklung machte mich jedoch keineswegs zum notorischen
EinzelgängerodergarEinsiedler.Noch immerbestandendie jahrelanggewachsenennach-
barschaftlichen Freundschaften, im Rahmen derer gelegentlich auch gefeiert wurde. Bei
einem solchen Anlaß bin ich haarscharf an einemAutounfall vorbeigeschrammt, als ich
mit demAutomeiner Eltern die jungeMeute imAnschluß an die Fête nachHause fuhr
und infolge beträchtlichenAlkoholkonsums denweich gefedertenWagen beimEinbiegen
indieMögeldorferOrtsstraßenichtmehrunterKontrollehatteundgeradevordemgegen-
überliegendenTorpfosten von Fam.Hofer-Beck zumStehen kam.Auf diesenWarnschuß
des Schicksals habe ich ebenso wie auf den im Abschnitt 3.5.1 im Zusammenhang mit
meinemSekundenschlaf beschriebenen aufmerksamgeachtet, darausLehren gezogenund
von da an bis heute selbstverursachte und nennenswerteAutounfälle vermeiden können.
In Erlangen freundete ichmichmit derMedizinstudentin Silvia Scheel aus Berlin und
ihrem Freund Holli, dem aus Lübeck stammenden JurastudentenWolfgang Hollenstei-
ner, an. Zu diesemKreis gesellte sich noch ein Chemiestudent aus NRW, der michmit
seinerÜberzeugung damals noch schockierte, daß dasChristentumauf der größten Lüge
derMenschheitsgeschichte basiere, und für den ich in faktisch betrügerischerWeise eine
Mathematikklausur schrieb. IndieserKonfigurationmitKommilitonenausverschiedenen
159Brief anmeinenVater vomJuli 1960,AOKorrespondenz.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427