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3.5. STUDIUM 243
ingesamt in einevonmir erstrebteRichtungweiterbringenkönnten.DerAufwand fürden
Bau eines Doppelresonanzgefäßes war in der Tat beträchtlich, wovon dieKonstruktions-
zeichnungen in meiner zitierten Arbeit durchaus einen Eindruck vermitteln. Ich mußte
dazu eine Fülle von Bearbeitungstechniken neu erlernen, nicht zuletzt das Glasblasen
zur Formung passenderGlasanschlüsse. Nach der Fertigstellung desGeräts saß ich dann
nächtelangvorderApparatur,uminunzähligenExperimentenMeßreihenzuerstellen,die
manwegenderergebnisverzerrendenGebäudeerschütterungentagsübernichtdurchführen
konnte. In diesen Stunden fühlte ichmich verloren und am falschen Platz. Andererseits
hattedermichbetreuendeAssistent,HerrOtten,mir einVerbleiben imFachundamOrt
mit derAussicht auf einen raschenDiplomabschluß schmackhaft zumachen versucht.
Mit Ausnahme von Jensen, dessen Niveau für mich aber noch unerreichbar erschien,
konnte ichmichwohl auchaußerhalbdesPraktikums für keinenderProfessorenund ihre
Spezialgebiete erwärmen.Manches erschienmirwohl auchzuunpräzise oder inBezugauf
eineallgemeinereund fürunsalsMenschen relevanteBedeutungnicht ausreichenddurch-
dacht. Zudem ist es bemerkenswert, daß sichmitmeinenPhysikkommilitonenüberhaupt
kein näherer Kontakt angebahnt hatte. So begann ich, mich irgendwie fremd in diesem
Fach zu fühlen und nachAlternativen zu suchen.
Diese Suche zog auch ausgefalleneOptionen in Betracht. So belegte und hörte ich die
VorlesungunddasProseminarüberPlatobei einem derprominentestendeutschenPhilo-
sophendes 20. Jahrhunderts ,Hans-GeorgGadamer (1900 2002).182Damit setzte ichdie
bereits inErlangen begonneneReihe vonVorlesungen inPhilosophie diesmalmit promi-
nenterBesetzungfort,kamaberzudemSchluß,daßPhilosophiezustudieren widersinnig
sei.183 ImGegensatz zu denPhysikvorlesungen sindmir vonGadamersVorlesung inHei-
delberg bis heute noch Erinnerungen geblieben, beispielsweise seine Einschätzung, daß
gewisse technischeEntwicklungenwiedasdesFahrrads quasi zu einemEndekommen,da
Fahrräder sich in den letzten Jahrhunderten so gut wie nichtmehr wesentlich verändert
hätten.
Eine noch ausgefallenereOption führtemich in dieGermanistik. Ichwar regelmäßiger
LeserderWochenzeitungDIEZEITgeworden,diewöchentlicheinenausführlichenLitera-
turteil anbot.Auchhörte ichgernedieSamstagvormittagSendungmitMusikundLitera-
tur imSüddeutschenRundfunk.AufeinemdieserWegebin ichaufDeschnersStreitschrift
Kitsch,KonventionundKunst 184 gestoßen,diemich inderAuswahlmeiner literarischen
182https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Georg_Gadamer, Zugriff 16.3.2016.
Von seinenAusführungen finden sich nochNotizen imAOReflexionen 1, kurzR.1.
183TBI, S.65.
184KarlheinzDeschner, Kitsch, Konvention undKunst Eine literarische Streitschrift, List,München,
1957.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427