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3.5. STUDIUM 253
So blieb dieMusik für mich weiterhin ein wichtiges Nebenfach , in das ich neben dem
Studiumviel Zeit (auch fürReflexionen darüber)218 investierte.
AlsdrittenSchwerpunkt setzte ichmeine sichweiterverstärkendenReflexionen fort,die
von Lektüren, Erlebnissen oder grundlegenderen menschlichen Fragestellungen geprägt
waren. Konkret setzte ich ab 1962 die Notierung von Gedanken in Textform zu unter-
schiedlichstenThemennun systematischer in einerArtReflexionsbuch fort.219DerEffekt
dieser selbstbestimmtenÜberlegungen aufmeineEntwicklung kann gar nicht hoch genug
eingeschätzt werden.Gelegentlich besuchte ich zurweiterenAnregung solcherGedanken
beispielsweise die musikwissenschaftlichen Vorlesungen von Thrasybulos Georgiades,220
die für lange Zeit inMünchen einen legendärenRuf genossen.
In dieserKombination von Studium,Musik und themenfokussiertemNachdenken und
Aufschreiben gediehen die beiden letzten Jahre meines Studiums in München zu einer
besonders prägendenZeit, in der sich die individuelle Strukturmeiner Persönlichkeit an-
zudeuten begann. In großen Aufgabenstellungen wie der Diplomarbeit, der Diplomprü-
fung oder der Vorbereitung auf ein Konzert, ja auch imDurcharbeiten großer Romane
wie denen von Musil, Broch etc. und einer Fülle weiterer Literatur (wie zB. von Max
Bense, Simone de Beauvoir, Eugen Herrigel, Johan Huizinga, Karl Jaspers, Søren Kier-
kegaard, FriedrichNietzsche, JoséOrtega yGasset,WolfgangPauli, RainerMariaRilke,
PaulValéry uvam.) samt einerFülle schriftlicherNotizen dazu erlernte ich denunschätz-
barenNutzen der sorgfältigenErarbeitung der umfangreichenLösung einer komplexeren
Aufgabenstellungundvor allemdie absoluteÜberlegenheit derReflexionvordemunkon-
trolliertenReflex.Zwar istbeispielsweise jedesKonzert füreinendaranbeteiligtenMusiker
letztlichdannauchein reflexhaftesAgieren; dieseReflexe sindaberdurch langesTraining
vorbereitet, also aufgeladenmit vorangegangenenReflexionen, kurz reflexionsgeladen im
Sinne des in derEinleitung zu diesemBuch eingeführtenBegriffs.
UmdieseswachsendegeistigeZentrumherumrankte sichmein sonstigesLeben. Immer
wiederbesuchte ichmeinenVater imElternhaus; gelegentlichkamauchernachMünchen.
ErdurchlebteeinebesondersschwierigeZeit,die ich imAbschnitt3.4bereitsskizzierthabe
und die, wie dort erwähnt, 1964 zum ersten Herzinfarkt führte. Gelegentliche weitere
Besuche führten mich zur Familie meiner Schwester, zu meiner Tante Karola, die ein
218BeispielsweiseTBI, S.65f.
219Die Themen erstrecken sich vonmeinen StudienfächernMathematik und Physik samt deren Rolle
(zB. TBI, S.4,14,24f,67 usw.) über die Rollen vonMann undFrau (ua. S.14-19) samt damit zusammen-
hängenden praktischen Aspekten wie Ganztagsschulen (S.14) bis hin zu unterschiedlichsten Fragen des
Lebens, derKunst undWissenschaft (S.2,3,4 usw.).
220https://de.wikipedia.org/wiki/Thrasybulos_Georgiades, Zugriff 23.3.2016.DieAnregungen vonGe-
orgiades haben sich auch in meinen Notizen niedergeschlagen, beispielsweise in Bezug auf das Thema
Interpretation , TBI, S.11.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427