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262 KAPITEL3. ZIELSUCHE
nis mit glücklichemAusgang auch diesmal holdwar: er botmir zum 1.5.1966 die Stelle
(einerwissenschaftlichenHilfskraftmit denBezügen einesVerwalters einerWissenschaft-
lichen Assistentenstelle mit den Anfangsbezügen) eines Wissenschaftlichen Assistenten
samtPromotion an. Ich hatte alsowieder eine imEffekt gleichwertige Stellewie inKöln,
nun aber in meiner präferierten Stadt und bei einem international höchst angesehenen
Wissenschaftler gefunden, dessen Fachgebiet LogikmeinenNeigungen besser nicht hätte
entgegenkommenkönnen.SchüttehattemichausdiesemtiefenLochgerettet,wofür (und
für vieles danach) ich ihm bis heute zutiefst dankbar bin. Beiläufig handelte es sich bei
diesem erneutenBeschäftigungsverhältnis bereits ummein sechstes unter den bis hierher
beschriebenen.
DenArbeitsvertragmit den JunkersFlugzeug- undMotorenwerkeAGkonnte ich noch
vor Arbeitsbeginn im gegenseitigen Einvernehmen auflösen. Ich suchte mir inMünchen
eine neueBleibe und fand ein schönes teilmöbliertesApartment imHausTrainsjochstr. 2
der FamilieGrünler. Daswar nun bereits die fünfzehnteWohnungmeines Lebens bis zu
diesemZeitpunkt. InKölnbrach ichallemeineZelte spurlos ab.HerrnMittelstaedthatte
ich erst im Jahre 2005 anläßlich des XX. Kongresses für Philosophie in einer zufälligen
und freundlichenBegegnung noch ein einzigesMal vor seinemTod gesehen.
Die Arbeit am mit Schütte neu besetzten Lehrstuhl begann für alle seine Erstmit-
glieder imMai 1966. Die Gruppe bestand neben Schütte aus dem bereits promovierten
Justus Diller, Klaus Vitzthum undmir sowie der Sekretärin Frau Ernst. Die Instituts-
räume befanden sich direkt neben demMathematikgebäude in einer früherenWohnung
im ersten Stock der Schellingstraße 10. Innerhalb der Gruppe entwickelte sich eine sehr
freundschaftliche, aber aucharbeitsorientierteAtmosphäre. Schütte hielt sorgfältigst vor-
bereiteteVorlesungen überMathematische Logik undBeweistheorie. Bei ihmkonnte ich
diePräzision exaktenBeweisensnoch intensiver als je zuvor erfahrenundmichdarinwei-
ter üben.Vor allemaber erlernte ichnunLogik erstmals richtigundausallerersterQuelle
und fühltemichbei deren generellenFragestellungen sofortwie zuhause.245MeineArbeit
bestand in der Betreuung der Übungen, die die Vorlesungen begleiteten. Vor allem aber
schlugmir Schütte die folgende interessanteThematik für eineDissertation vor.
245 Durch das Studium der Logik lernt man auch richtiger denken, denn indem wir das Denken des
Denkens denken, verschafft sich derGeist damit seineKraft. Dieses Zitat stammt aus denPropädeuti-
schen Schriften vonGeorgWilhelm Friedrich Hegel. Dieser Einschätzung des Rektors des Egidiengym-
nasiumsNürnberg (https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wilhelm_Friedrich_Hegel, Zugriff 25.9.2016),
einer Vorgängerschule amPlatze des vonmir besuchtenRealgymnasiums, stimme ich bis zumheutigen
Tag voll zu und halte es für einen grundlegenden Fehler in unserem Bildungskanon, daß die Logik als
Gegenstand imGegensatz zu früheren Jahrhunderten explizit heute nichtmehr vorhanden ist.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427