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264 KAPITEL3. ZIELSUCHE
Für den Nachweis derWiderspruchsfreiheit der Zahlentheorie benötigt man also eine
transfinite Induktion und zwar bis zu einer Ordinalzahl, die manmit 0 bezeichnet. In
diesemSinne stellt dieOrdinalzahl 0 eineArt vonKomplexitätsmaß für die Zahlentheo-
rie dar.DieZahlentheorie läßt sich auch inderTypenlogik, auchPrädikatenlogik höherer
Stufe genannt, syntaktisch durch eine entsprechende Einschränkung ihres Kalküls cha-
rakterisieren, wodurch sich dasKomplexitätsmaß auf dieses so eingeschränkte Fragment
derTypenlogikunmittelbarüberträgt.AndereTheorienhabenandereKomplexitätsmaße
dieser Art. Nun haben Fefermann und Schütte unabhängig voneinander bewiesen, daß
sogenannte prädikative Theorien einKomplexitätsmaß haben, das durch die sogenannte
Feferman-Schüttesche Ordinalzahl (von Fefermannmit Γ0, von Schütte mit κ0 bezeich-
net) als der kleinsten nicht-prädikativ beweisbaren Ordinalzahl gegeben ist.246 Aus all
dem schwebte Schütte für meine Dissertation vor, syntaktisch ein Fragment der Typen-
logik zu bestimmen, dessenKomplexitätsmaß genauκ0 ist, eine für Logiker zweifelsohne
sehr interessante Fragestellung.
Um sie anzugehen, mußte ich mich in eine mir bis dahin völlig unbekannte wissen-
schaftliche Literatur über Ordinalzahlen und deren Bezeichnungssysteme, über Schnit-
telimination und generell über formale Systeme der Logik einarbeiten. Glücklicherweise
konnte ichmich dabei neben denArbeiten von Schütteweitestgehend auf diejenigen des
japanischen, inAmerika lehrendenLogikersGaisiTakeuti247 konzentrieren.248 Infolgedie-
ser relativ engen Fokussierung gelang es mir dann auch, innerhalb von zwei Jahren im
Frühjahr 1968 eine fertige Dissertationmit demTitel Schnittelimination in einemTeil-
systemder einfachenTypenlogik vorzulegen. In ihr konnte ichdieErgebnisse vonTakeuti
zur Schnittelimination inmehrfacher Hinsicht verbessern. Eine auf den Ergebnissen der
Dissertation basierendePublikation erschien 1969.249
Leider enthieltdieDissertation jedochnichteineAntwortaufdievonSchütteursprüng-
lich angestrebte Fragestellung der Bestimmung eines ganz spezifischen, oben beschriebe-
nen Fragments der Typenlogik. Diesmag ihn anmeiner Arbeit etwas enttäuscht haben,
die er dann nur mit cum laude (oder gut) bewertete. Auch wenn ich in den Fächern
246https://math.stanford.edu/ feferman/papers/predicativity.pdf,Zugriff16.4.2016, enthält eineumfas-
sendeDarstellung zumBegriff derPrädikativität.Darin sind auchdieReferenzenFefermann (1964) und
Schütte (1965, 1965a) zu demhier genanntenErgebnis angegeben.
247https://de.wikipedia.org/wiki/Takeuti_Gaisi, Zugriff 16.4.2016.
248Takeuti lernte ich in1966 inHannoveranläßlicheines InternationalenKolloquiumspersönlichkennen.
ImAnschluß daran besuchte er unsere Gruppe. Zu seinen Ehren lud ich ihn und die Kollegen in mein
Apartment ein. Der abgesehen von dem fachlichen Austausch tiefste verbliebene Eindruck von seinem
Besuchwar seineBegeisterung fürdas servierteBierunddiedabei erwieseneTrinkfestigkeit, die für einen
Japaner eher ungewöhnlich ist.
249Archiv fürMathematische Logik undGrundlagenforschung 12, 159 178, 1969.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427