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3.5. STUDIUM 273
Reihe kritischer Einträge, die darüber reflektieren, obwir angesichts unserer sehr unter-
schiedlichenLebenseinstellungenwirklich aufDauer zusammenpassen.271
EinigeMonate nachmeinemberuflich bedingtenUmzugnachKöln erreichtemich eine
NotizvonChristianedatiertmitdem13.2.1966,daßsichnacheinerPartymitdemWagen
einesgewissenRolandundmit ihrdarineinUnfall ereignethatte.Siehattesichwohlschon
vorher indiesenKommilitonen verguckt und fühlte sichdurchdenUnfall nun erst recht
zu ihmhingezogen.Es ist allesnur zuverständlich: siewar jetztkeinSchulmädchenmehr,
sondern eine attraktive Studentin unter ihren Kommilitonen; der bisherige Liebhaber
mußte nachKöln ziehen; ist es ihr zu verdenken, daßman sich da auf einer Party etwas
näher kommt.
Fürmich brachen damit aber die zwei emotional schlimmstenMonatemeines ganzen
Lebens an. Christiane hatte ihre Gefühle erkennbar nichtmehr unter Kontrolle, woraus
sich für mich ein wochenlangesWechselbad der Gefühle ergab, das sich in seitenlangen
Ergüssen inmeinenAufzeichnungenwiderspiegelt.272NachvielenFahrten zwischenKöln
undMünchen, vielenBriefenundTelefonaten,VersöhnungenundEntfremdungenkames
am 3.5.1966 imBereich derKlinikanlagen an derMünchener Nußbaumstraße schließlich
zumentscheidendenBruch:mit einer aus derTiefemeiner Seele hervorbrechenden schal-
lendenOhrfeige setzte ich einen unwiderruflichen Schlußpunkt unter ein wunderschönes
Lebenskapitel echter Liebe. Auchwennwir uns nach einigenMonatenwieder freundlich
begegnenkonnten,war derRiß zu tief, um jewieder gekittetwerden zukönnen. In ihrem
Brief vom29.8.1967 zumTodemeinesVaters schrieb siemir: Ich bereue und bedauere es
nunmehr denn je, daß ich dieses gegenseitige Liebes- undVertrauensverhältnis zwischen
uns kaputt gemacht habe.
Trost und Hilfe in diesen schweren Stunden, Wochen und Monaten erhielt ich nicht
zuletzt vonmeiner Schwester. Ich lud ihre Familie ebensowiemeinenVater zum letzten
Wochenende imApril 1966 quasi zu einemEinweihungsbesuch inmeinem neuenApart-
ment ein.273AuchmitWernerHüller, einemSchulkameradenundKommilitonenderPhy-
sik inMünchen, entwickelte sich in jener Zeit eine tiefe Freundschaft.Mit substanzieller
Ermunterung in ernsthaften und tiefschürfenden Gesprächen half er mir wieder auf die
Beine. Die neue und fordernde Arbeit bei Schütte war sicher ebenfalls hilfreich, wo sich
mitDietrichFischer ein freundschaftlichesVerhältnis zu entwickeln begann.
Von da anwar ichwieder ein 27-jähriger freier Junggeselle, hatte eine fürmich ideale
Beschäftigung gefunden, wohnte in einem schönen Apartment, erfreute mich an einem
271TBII, S.10, TBIII, S.88-91,128f, AOReflexionen,R.1.2, S.131-145.
272AOReflexionen,R.1.3, S.9ff.
273FAWB3, S.40, sowie ihreBriefe vom27.4. und 4.5.1966.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427