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300 KAPITEL4. FORSCHERLEBEN
on,Möbelmieteund -kaution, selbst eineKaution fürdasTelefonusw. raschaufgebraucht
und das alles rettende ersteGehalt in den ersten dreiWochen halt noch nicht verfügbar.
Kreditkartengabesdamalswohlüberhauptnochnicht.MitmeinerHartnäckigkeitbekam
ich dann doch eine kurzfristigeÜberbrückung,mutmaßlich von einerBank.
Noch vor demBeginn der Vorlesungenwar ich in einemSchreiben vom 30.8.1970 von
T.B. Steel auf Anregung und in Vertretung vonManfred Paul zur Teilnahme an einer
2-tägigen Sitzung der IFIP-Working Group 2.2 for Programming Languages in einem
Hotel in Boston eingeladen worden.31Die Strecke von 1.150 km dorthin stand ich ohne
jegliche Unterbrechung bis auf die nötigen Tankstopps im VW durch. An der Sitzung
nahmen etwa ein Dutzend der damaligen Größen der internationalen Informatik-Szene
teil.Darunterwarderweiter obenbereits erwähnteDanaScott, der dasTreffenmit einer
ausführlichenDarstellungseinerdenotationalenSemantikdominierte.Erstmalsbegegnete
ich unter den Teilnehmern auch dem oben ebenfalls bereits erwähnten JohnMcCarthy,
der mir vor allem durch sein ungewöhnliches Stirnband auffiel und der Sitzung nach
kurzer anfänglicher Anwesenheit dann fernblieb, mutmaßlich weil er es vorzog, sichmit
seinen alten MIT-Kollegen wie Marvin Minsky über Themen der Artificial Intelligence
auszutauschen.
Während der 4-tägigenAbwesenheit vonDetroit war ich nach einemAnruf zuhause
durch Andeutungen von Jutta äußerst beunruhigt worden. Einer der schwarzenMitbe-
wohner inderAnlage,der sieamSchwimmbeckenanbaggerte,versuchtemitallenMitteln,
sie sich gefügig zumachen.Wenn auchmit größtenMühen, so gelang es ihr schließlich
doch, ihn abzuschütteln.
Zurück inDetroitbeganndannvorallemdieHerausforderungder fürmichvölligneuen
beruflichenAufgaben. Außermir hatte das Department zwei weitere neueAssistenzpro-
fessoren berufen, der eine aus Rumänien, der andere von den Philippinen.32 Zusammen
mitWolfsonwarenwir also ein ziemlich zusammengewürfelterHaufen vonWissenschaft-
lern amBeginn ihrer Laufbahn. Besseres und senioreres Lehrpersonal war zuBeginn des
Aufbaus eines Informatikdepartments nach Detroit mit seinem vor allem in den USA
sehr schlechtenRuf alsWohnort nicht anzulocken.Wir haben aber durchaus gut zusam-
mengearbeitet. Vor allemhabenwir in den erstenMonaten gemeinsamden Studiengang
Computer Science (graduate program) bis zur Erlangung des Master (M.Sc.) für das
Department konzipiert, der dann von den Universitätsgremien offiziell in Kraft gesetzt
31Diebereitsvorher erwähnte InternationalFederation for InformationProcessing (IFIP)versuchtemit
diesen international besetztenArbeitsgruppen die Entwicklung der Informatik voranzutreiben.
32Der aus den Philippinen, Bill Torres, ging anschließend dorthin nach Manila wieder zurück. Von
HerrnAbramson, dem rumänischenKollegen, habe ich später niemehr etwas gehört.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427