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4.1. QUALIFIZIERUNGALSWISSENSCHAFTLER 301
wurde. Damit war ich zum erstenMal inmeiner Karriere quasi als Pionier tätig, eine
Rolle, die sich später nochoftwiederholen sollte.33AusdiesenbescheidenenAnfängen ist
auf dieser solidenBasis seitdemein stattlichesDepartmentmit zweiDutzendProfessoren
entstanden.34
Die Universität war nach dem Trisemester-Rythmus organisiert. Ich mußte also drei
Semester à dreiMonate in diesen zehnMonaten unterrichten, jeweils zwei bis dreiKurse
in jedem Semester. Insgesamt unterrichtete ich die Kurse mit den folgenden Themen:
Introduction toFormalLanguages andAutomata, Introduction toNumericalAlgorithms
(DigitalComputation),Artificial Intelligence, SurveyofHigherProgrammingLanguages,
Topics in Computer Science und Introduction to Fortran. Das sind sechs verschiedene
Vorlesungenmit Inhalten,diemirbeiDienstantrittnochweitestgehendunbekanntwaren.
Bei einer derart hohen und herausfordernden Lehrverpflichtung bleibt so gut wie keine
Zeit für die eigene Forschung. Allerdings hatte ich mir durch diese selbständige Lehre
imVerlauf des Jahres ein relativ umfassendesWissen inmeinemneuen Fach Informatik
aneignen können.
Unterden freiwilliggewähltenVorlesungsstoffenwarnebender unterFormalenSpra-
chenundAutomatenfirmierenden theoretischen Informatik also auchArtificial Intelli-
gence.Wie bis heute in denUSAüblich legtenwir denVorlesungen jeweils ein Lehrbuch
zugrunde. Das beste damals für dieses Fach verfügbare Lehrbuchwar das vonBanerji,35
dasmir aufgrund seinermathematischenOrientierung sehr entgegenkam.
Neben demEffekt der fachlichenQualifizierung brachte ichmein Schulenglisch auf ein
Niveau,mitdem ichamEndedesJahresmündlich ebensowie schriftlichkompetentkom-
munizierenkonnte.Da inmeinenVorlesungen immereineReihevonschwarzenStudenten
aus derRegion saßen, derenEnglisch imwahrsten Sinne desWortes unter aller Sau und
für einenEuropäer so gutwie nicht verständlichwar,mußte ichmir dieseKompetenz in
einer extrem harten Schule erkämpfen. Die Studenten ebenso wie die Universität zeigte
sich mit meinen Leistungen in der Lehre sehr zufrieden und hätte mich gerne für eine
längere Zeit verpflichtet, was für uns aber überhaupt nicht in Frage kam.
Wie sich imVerlauf der Zeit herausstellte, hatteHerrWechsler in seinenAnwerbungs-
briefen in Bezug auf die Ausstattung des Rechenzentrums nicht übertrieben. Sie war
derjenigen an der TUMweit voraus. Beispielsweise hatten wir eine direkte Verbindung
33In zweiSchreibenausdennachfolgendenJahren1971und1972berichtetemirSeymourWolfson stolz
vomErfolg dieses von unsVieren etabliertenProgramms.
34http://engineering.wayne.edu/cs/index.php, Zugriff 23.6.2016.
35Ranan B. Banerji, Theory of Problem Solving An Approach to Artificial Intelligence, American
Elsevier, NY, 1969.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427