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316 KAPITEL4. FORSCHERLEBEN
heutigen Einschätzung unpassendeWahl. Denn für die erste Arbeit eines Anfängers im
Fach gleich die international höchste Koryphäe des Fachs als Gutachter heranzuziehen,
ist schon für sich allein als nicht gerade sehrüberlegt einzuschätzen.Vor allemaberhatte
Knuth mit dem Automatischen Beweisen fachlich überhaupt nichts zu tun. Es ist die
Aufgabe einesHerausgebers, alsGutachter jemanden auszuwählen, der sich zumindest in
dembetreffenden Spezialgebiet gut genug auskennt,wie ich als langjährigerHerausgeber
internationaler Zeitschriften selbst nur zu gutweiß.Knuth verspürte alsAußenstehender
dieses Spezialgebiets daher offenbar auch nicht die geringste Lust, sich dieser lästigen
Arbeit zu unterziehen. Es verging daher ein Jahr, ohne daß irgendeineReaktion von ihm
kam.Am22.2.1973 fragte ich nach bereits mündlich erfolgtenKontakten in einemBrief
an Herrn Niegel nach dem Stand des Verfahrens. Nach weiteren Nachfragen gingMitte
1973endlichein sachlichwenigaussagendesGutachtenvonKnuthein,dasvorallemmein
schlechtes Englischmonierte und einige Fragen zu derArbeit stellte.
Ich erarbeitete daher eine Revision der Arbeit, die ich kurz darauf wie üblich wieder
beidergleichenZeitschrift einreichte.Aufdas erneuteGutachtenvonKnuthwartetenwir
wieder fast ein Jahr, das dannwiederum sehr verhalten und eher ablehnend ausfiel. Herr
Bauer empfahl mir daraufhin, die Arbeit an einer bestimmten von mir nicht ausfindig
gemachten Stelle beimDeutschenMuseum anzumelden, um ihr damit ein offizielles Da-
tumzugeben.MitmeinenheutigenKenntnissender akademischenGepflogenheitenkann
ich diesen Rat nur als zumindest unbedacht, wenn nicht vielleicht sogar etwas gehässig
einschätzen, obwohl unser persönliches Verhältnis zu jener Zeit noch völlig unbelastet
war. Ich folgte seinem Rat nicht, sondern sandte die Arbeit samt der beiden Knuth-
schenGutachten stattdessenandenHerausgeberProf.RudolfAlbrecht,58Uni Innsbruck,
der ZeitschriftComputing, der sie angesichts des großen Namens vonKnuth und seiner
ja nicht völlig ablehnenden Aussagen und aufgrund eigener Prüfungmehr oder weniger
postwendend zurVeröffentlichung angenommenhatte. So erschien diese imWesentlichen
aus dem Jahre 1971 stammendeArbeit schließlichmit dreijähriger Verspätung,59 getreu
dem inzwischen vertrautenMuster Erschwernismit glücklichemAusgang .
Die Schwierigkeitenbei diesermeiner erstenZeitschriftenveröffentlichung in Informatik
wurden gewissermaßen als Lehrstück hier etwas ausführlicher geschildert. Ohne sachge-
rechte Betreuung durch einen wohlwollenden Professor hat ein junger Wissenschaftler
kaum eine Chance zum Reussieren. Weder in den USA noch an der TUM konnte ich
58In der Informatik und vergleichbarenGebieten habenProfessoren fast ausnahmslos auch einenDok-
tortitel,weshalb ichderEinfachheit halbermeistnurdenProfessorentitel angebe,weil sichderDr. damit
von selbst versteht.
59An approach to a systematic theorem proving procedure in first-order logic. Computing 12, 43 55,
1974.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427