Page - 321 - in Reflexionen vor Reflexen - Memoiren eines Forschers
Image of the Page - 321 -
Text of the Page - 321 -
4.1. QUALIFIZIERUNGALSWISSENSCHAFTLER 321
Aus der Sicht von Logikernwarmit denKomputern nun ein universelles Rechengerät
geschaffen, das grundsätzlich eine jegliche Funktion berechnen bzw. eine jegliche Aufga-
benstellung lösen kann. Die Entwicklung eines Programms zu einer vorgegebenen Auf-
gabenstellung ist nun aber selbst ein solches Problem, das man also auch mit einem
Komputer lösen könnte, wennman ihn dazu nur geeignet programmierenwürde.Das ist
auch heute noch ein wahrhaft sensationeller Gedanke, den man nicht einfach so
überlesen, sondern genauer bedenken sollte.Denn er besagt, daßman imPrinzip für alle
Zukunft nur ein einziges Programmentwickelnmüßte, das dann in der Lagewäre, jedes
andereProgrammeinfachaufderGrundlageder jeweiligenAufgabenstellungautomatisch
zuberechnen.Angesichts seiner fundamentalenBedeutung lohntes sich,diesemuniversel-
lenProgrammeinen eigenenNamenzugeben; nennenwir esP.Bis heute konnteP nicht
realisiertwerden,daes sichbei seinerEntwicklungdurchausumeineJahrhundertaufgabe
handelt.
Eine Art vonP ist uns recht vertraut, ohne daß wir uns dessen bewußt wären. Denn
unserDenkapparat ist in etwa einer solchenWeise ebenfalls universell. Er versetzt uns in
dieLage, imLaufedesLebens eineunglaublicheFüllehöchstunterschiedlicherAufgaben-
stellungenmit ein unddemselbenDenkvermögen zu lösen.DermenschlicheDenkapparat
verhält sich also in etwawie dasP: zu jeder neuenAufgabenstellung entwickelt er quasi
einLösungsprogramm,dasdenMenschen imErfolgsfall indieLageversetzt, dieseAufga-
benstellungzu lösen.PwärealsosoetwaswieunsermenschlicherDenkapparat,derunsere
menschliche Intelligenz ausmacht. So ist nachzuvollziehen, daß sofortmitdemErscheinen
desuniversellenKomputers indenvierzigerJahrendes letztenJahrhundertsauchdie Idee
einer künstlichen Intelligenz (KI) derArt einherging, wie sie soeben erläutertwurde.
Nachdiesen fachlichenAusführungenüber universelleKomputer läßt sichmeindamals
aufkeimendesForschungsprogrammdamitkurz so formulieren:an derEntwicklung vonP
arbeiten.Beweiserprogramme imAutomatischenBeweisenkommeneinemderartigenuni-
versellenProgrammwieP schonrechtnahe,wiemanleichteinsehenkann.DennseiAeine
beliebige Aufgabenstellung, formuliert in natürlicher Sprache. Nach demVorangegange-
nen ist alsoP(A), dasheißtdieAusführungvonPmitAalsEingabe, einProgramm,das
A löst. SeinunB einBeweiserprogrammfürdiePrädikatenlogikundA`unsereAufgaben-
stellung, nun aber repräsentiert in der Sprache derPrädikatenlogik, wasmit demoberen
Index ` zumAusdruck gebrachtwerden soll.Dann istB(A`) ebenfalls einProgramm,das
tatsächlich eine Lösung vonAberechnet.
Anfang der siebziger Jahre erkannten eineReihe von internationalenForschernmit ei-
ner entsprechendenLogikvorbildungdiesesPotenzial vonBeweiserprogrammen.Deroben
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427