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4.2. KIETABLIERUNG 363
auchEuropa, das befürchtenmußte, auf diesemGebiet nochmehr anBoden zuverlieren.
Die Eröffnungskonferenz geriet daher zu einem höchst politischen Ereignis, demRegie-
rungsvertreter aus allen Teilen der Welt beiwohnten.146 In diplomatisch ausgewogener
Weise wurden neben den japanischen Vorträgen dreiWissenschaftler aus den USA und
drei ausEuropa zuHauptvorträgen eingeladen, letztere je ausDeutschland,Englandund
Frankreich. Und als Repräsentanten von Deutschland haben die Japaner ausgerechnet
denOberassistentenWolfgangBibel ausgesucht, der damals noch immermit juristischen
Mitteln umdieAnerkennung seiner Lehrbefähigung kämpfenmußte!
DemAnlaß entsprechendgroßzügigwurde ich imRahmendieserEinladungbehandelt.
FuchiundMoto-Okastattetenmir(ebensowiedenanderenfünfHauptrednern) imVorfeld
der Konferenz in München einen Höflichkeitsbesuch zur Erläuterung des FGCS ab.147
Zudem finanzierten mir die Japaner einen Flug in der damals sündhaft teuren
ersten Klasse und reservierten mir ein Zimmer im ersten Hotel in Tokio, dem Imperial
Hotel unmittelbar gegenüber demKaiserpalast.Mit denbeschränktenmir zurVerfügung
stehendenMitteln habe ichmichmitmeinemVortrag dannwohl auch einigermaßen gut
geschlagen.148 Jedenfalls wurde ich auch in den Jahren danach nochmehrfach zu diesem
beeindruckenden und erfolgreichenProjekt nach Japan eingeladen,mit demdie Japaner
inmehrfacherHinsicht einenwichtigen Sprung nach vorne für ihr Land geleistet hatten.
WiegesagtwirktederStartdes japanischenFGCSProjekteselektrisierendauch fürden
Restder führendenIndustrienationen.AlsunmittelbareAntwortdaraufwurdenallerorten
vergleichbare nationale und übernationale Projekte ins Leben gerufen wie beispielsweise
das von der EU-Kommission initiierte European Strategic Programme for Research in
Information Technologies (ESPRIT) oder das vom Bundesminister für Forschung und
Technologie (BMFT) geförderte Programm Informationstechnik.149Nun rächten sich die
Versäumnisse der Informatiker in Europa, die fast überall eine frühe Förderung der KI
146Eine umfangreiche deutscheDelegationwurde vonHerrnDr.G.Marx aus demBMFTgeleitet.
147Weder Herr Bauer noch der Geschäftsführende Direktor, Rudolf Bayer, unseres Instituts erklärten
sich auf entsprechende Anfragen dazu bereit, diese hohen Gäste angemessen zu empfangen, sich über
das FGCS berichten zu lassen und umgekehrt unser Institut vorzustellen, wie es nach diplomatischen
Gepflogenheiten in jedemFall geboten gewesenwäre (siehe dazu denBrief vom14.9.1981 unterTU1 im
Bibel-ArchivderTUD).EingemeinsamerBesuchdesOktoberfesteszudrittkonntediesendiplomatischen
Affront einwenig kompensieren.
148Normalerweise sollte schonausnationalem Interesse einemderart repräsentativ für seinLandauftre-
tendenWissenschaftler aus seinerUniversität einUnterstützungsteamzueiner professionellenErstellung
der damals noch üblichenDiapositive zurVerfügung gestanden haben, umden besten Eindruck für das
Land zu hinterlassen.Wie immer in diesen Jahren an der TUMwar ich jedoch für alles völlig aufmich
alleine gestellt.
S.41 imFAWB6 zeigtmich ua.mit demdeutschenBotschafter in Japan.
149Weitere Details finden sich in:Wolfgang Bibel, Artificial Intelligence in a historical perspective, AI
Communications 27(1), 87 102, 2014.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427