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4.3. BESSERSPÄTALSNIE 391
zeichne) in Deutschland undweltweit in allerMunde. Jede Universität beeilte sich nun,
Professoren auf diesem Gebiet einzuwerben. Darmstadt war in dieser Hinsicht im Ver-
gleich etwa zuKarlsruhe oderKaiserslautern zeitlich etwas insHintertreffen geraten.Da
manmitmeiner Arbeit in diesemHalbjahr offenbar recht zufriedenwar und sich davon
überzeugenkonnte, daßdie ausMünchenverbreitetenGerüchteübermeinePersonoffen-
sichtlichnichtzutrafen,entschiedsichderFachbereich imLaufedesaufmeinenAufenthalt
dort folgendenJahres,mir denRuf auf dieseProfessur zu erteilen.Das entsprechendemi-
nisterielle Schreiben vom6.10.1987 erreichtemich dann inVancouver.216Kaumhatte ich
michdort nachwenigenWochen etwas eingerichtet und eingelebt, stand ich vor erneuten
schwierigen und entscheidendenÜberlegungen inBezug aufmeineweitere Zukunft.
Die sich an diesenBrief anschließendenVerhandlungen sowohlmit der Universität als
auchmit dem zuständigen HessischenMinisterium gestalteten sich wesentlich günstiger
als die vorangegangenenmitBerlin undUlm.Das lag schlicht daran, daßmir durchmei-
ne nun für alle sichtbar herausragende Position als Professor an einer Spitzenuniversität
inNordamerika und zusätzlich als hochdotierter Fellow eines angesehenen nationalen In-
stituts inKanada eine wesentlich günstigere Verhandlungsposition zuGebote stand. Ich
hatte inzwischen auch eine reichhaltige Erfahrung in derartigenVerhandlungen, die sich
auch in diesemFall überMonate hinzogen, imErgebnis aber ein fürmich sehr attrakti-
ves Ergebnis hervorbrachten.217Bei diesemAngebot sprachen deutlichmehrArgumente
für als gegen seine Annahme. Positiv ins Gewicht fielen beispielsweise die Ausstattung
mit Mitarbeiterstellen, das Gehalt, die Pensionsregelung und die Rückkehr in die Hei-
mat, womeine Familie ebensowiemeine Immobilien betreutwerdenwollten undwo die
Muttersprache vorherrschte. Deshalb habe ich mit Schreiben vom 28.6.1988 diesen Ruf
angenommenund trat am1.10.1988 denDienst an derTUDan. ImAlter von 50 Jahren
war ich nun erstmals Professor auf Lebenszeit an einer deutschenUniversität geworden,
die mir eine adäquate Ausstattung und das erforderlicheWirkungsumfeld bieten wollte
undkonnte, sodaß ichmeineForschungenangemessenvorantreibenkonnte.DieTUDwar
meinsechszehnterundendlichauch letzterArbeitgeber,mitdemichmein langeverfolgtes
Berufsziel endlich gesichert erreicht hatte.
Gleichwohl istmir der damit verbundeneAbbruchmeiner Zelte inVancouver alles an-
dere als leicht gefallen.Eswar völlig klar, daß ich ein derart freundschaftlichmiteinander
216Für den in derartigen Berufungsangelegenheiten Uneingeweihten sei erläutert, daß es an deutschen
Hochschulen durchaus üblich ist, daß ein solches Berufungsverfahren weit über ein Jahr dauern kann
(währendman sich inNordamerika dafür höchstens ein halbes Jahr zugesteht).
217Auf Seiten des Fachbereichs Informatik bin ich bis heute dem damaligen Dekan, Herrn Professor
HelmutWaldschmidt, für seingroßesEngagementundseinen fairenundsachlichenVerhandlungsstil sehr
dankbar.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427