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âohne EinschrĂ€nkungâ Besten erklĂ€rte, âdas in deutscher Sprache seit Thomas
Bernhards âVerstörungâ und âUngenachâ geschrieben wurdeâ 126 â und Handke
Unseld bat, diesen Satz fĂŒr eine Werbeanzeige in der ZEIT zu verwenden 127Â â,
soll an dieser Stelle nur als Indiz fĂŒr die Schnelllebigkeit forcierter Positionie-
rungen in dieser Ăbergangszeit verzeichnet werdenÂ
â und als Beispiel fĂŒr das im
Bereich der Handke-Leser nicht eben seltene PhĂ€nomen einer âĂŒberraschenden
Konversion[Â ]â vom Feind zum Freund (und umgekehrt).128
Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer)
Doch zurĂŒck ins Jahr 1966: Dass das deutsche Feuilleton, dem er kurz zuvor
pauschal vorgeworfen hatte, auf einem recht bescheidenen theoretischen Niveau
zu operieren, nach dem Auftritt in Princeton fast einhellig negativ ĂŒber seinen
DebĂŒtroman Die Hornissen urteilte, ja ihm ausgerechnet vorwarf, selbst ein
Exemplar jener ââSchreibmusterliteraturââ vorgelegt zu haben, âgegen die er auf
der Princeton-Tagung der Gruppe 47 in vielberedetem Alleingang polemisiert
hatâ,129 wollte Handke nicht auf sich sitzen lassen. Im bereits zitierten Brief an
Unseld vom 20. Juni 1966 zeigte er sich ĂŒber die Reaktionen in diversen Tages-
zeitungen und Zeitschriften enttĂ€uscht, ja erregt: âIch weiĂ nicht, ob Sie mich
verstehen werden: aber ich kann mich damit schwer abfinden.â 130 Rezensio-
nen wie jene von Wolfgang Werth in der ZEIT und Heinz Piontek in der Welt
könne er nicht akzeptieren und wolle im Gegenzug zeigen, dass deren negative
Urteile âverlogen und leichtfertigâ seien: âGern wĂŒrde ich einen âgroĂenâ Arti-
kel gegen all diese Kritiker schreiben, die die Konsumliteratur, zum Beispiel die
Romane eines GĂŒnter Grass, zur literarischen Norm erheben wollen. Anderer-
seits möchte ich mein Buch rehabilitieren.â 131 Nachgerade paradigmatisch wird
jene Dichotomie skizziert, die die Handke-Rezeption der folgenden Jahrzehnte entscheidend
prĂ€gen sollte: Man könne nur fĂŒr oder gegen Handke sein.
126 Peter Hamm: Handke entdeckt sich selbst. In: Neues Forum 17 (MĂ€rz 1970), H.Â
195/I, S.Â
253 â 255,
hier S. 254; er bemĂŒht am Ende gar Kafkas Bild des Buches als âAxt fĂŒr das gefrorene Meer in
unsâ (ebd., S. 255).
127 Vgl. Handke an Unseld, 24. 6. 1970. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm. 16), S. 177 f.
128 Michaelis: Ohrfeigen fĂŒr das Lieblingskind (Anm. 59), S. 81. Vgl. Wagner: Handkes Endspiel
(Anm. 97), S. 68; ders.: Handke und die Gruppe 47 (Anm. 68), S. 122. â Die Entwicklung von
Hamms Arbeiten zu Handke lÀsst sich im Band Peter Handke und kein Ende. Stationen einer
AnnÀherung (Göttingen: Wallstein 2017) nachvollziehen.
129 Wolfgang Werth: Schreibmuster. Peter Handkes Erstlingsroman Die Hornissen. In: DIE ZEIT,
Nr. 25, 17. 6. 1966.
130 Handke an Unseld, 20. 6. 1966. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm. 16), S. 34.
131 Handke an Unseld, 20. 6. 1966. In: ebd., S. 35. â Auf die Rezension von Wolfgang Werth erhob
dann nicht Handke selbst öffentlich Einspruch, sondern der Suhrkamp-Lektor Chris Bezzel,
Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471