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Bilder âverheiztâ (TBW 1, 35 u.Â
139)Â
â auf fatale Weise mit der Option des Suizids
verknĂŒpft; die selbstkritische, ja selbstquĂ€lerische Korrektur rĂŒckt dem Korrigie-
renden schlieĂlich buchstĂ€blich zu Leibe.
Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ:
Szenen prekÀrer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler)
110 Jahre vor der Publikation von Korrektur, am 18. August 1865, teilte Adalbert
Stifter seinem Verleger Gustav Heckenast mit, er sei sich bewusst, dass âstetes
Verbessernâ des Manuskripts auf das Erscheinen des Witiko Ă€uĂerst ungĂŒnstige
Auswirkungen habe; trotz seiner gegenwĂ€rtigen âVerzweiflungsstimmungâ ĂŒber
den Zustand des Textes mĂŒsse demnach bald âein AbschluĂ gemacht werdenâ.116
Er trage zwar, wie er Heckenast schreibt, nach wie vor âdas glĂŒhende Verlangenâ
in sich, âdurch weitere Feile und durch weiteres Austragen im GemĂŒtheâ die
âHoheit des Inhaltes und der Gestaltungâ zu verbessern, sei sich aber bewusst,
dass er die Abgabe der nĂ€chsten Tranche der historischen âErzĂ€hlungâ 117 nicht
mehr weiter hinauszögern dĂŒrfe: âIn einer Woche ungefĂ€hr wird die Hand-
schrift an dich abgehen.â 118 Stifters Briefe, die in den folgenden Wochen meist
gesundheitliche, aber auch konzeptionelle GrĂŒnde fĂŒr ausbleibende Postsendun-
gen, d. h. erneute Verschiebungen des Abgabedatums anfĂŒhren, Ă€hneln jenen
Bernhards zwar nicht im Ton â âIch bin in der lezten Durchsicht, und brauche
noch 10Â
Tage. Diese Tage warte doch noch in GĂŒte und Liebeâ 119Â
â, aber doch in
den Argumenten, die fĂŒr die Verzögerung genannt werden: Hier wie dort hat
der Text noch nicht eine den Autor zufriedenstellende Form erreicht. Einen
Teil des Manuskripts zum zweiten Band des Witiko habe er, so Stifter im Januar
1866, âganz neu gemachtâ, weil ihm die ursprĂŒngliche Fassung âvöllig farblos und
wesenlos vor[gekommen]â sei;120 wenig spĂ€ter kĂŒndigt er Heckenast die Zusen-
dung der nĂ€chsten BlĂ€tter mit folgender Bemerkung an: âDie Sache ist ganz neu
116 Adalbert Stifter an Gustav Heckenast, 18. 8. 1865. In: Adalbert Stifter: SĂ€mmtliche Werke. Bd.Â
21:
Briefwechsel 5. Mit Benutzung der Vorarbeiten v. Adalbert Horcicka hg. v. Gustav Wilhelm.
Reichenberg: Kraus 1928, S. 16 f.
117 Wie Peter Handke verweigerte auch Adalbert Stifter seinen umfangreichsten Prosaarbeiten,
Der Nachsommer und Witiko, demonstrativ die Bezeichnung âRomanâ und wies sie stattdessen
peritextuell als âErzĂ€hlungenâ aus; vgl. etwa Peter Handke: Die morawische Nacht. ErzĂ€hlung.
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008. Dazu grundlegend Werner Michler: Teilnahme. Epos und
Gattungsproblematik bei Peter Handke. In: Peter Handke. Poesie der RĂ€nder. Hg. v. Klaus
Amann, Fabjan Hafner u. Karl Wagner. Wien u. a.: Böhlau 2006, S. 117 â 134.
118 Stifter an Heckenast, 18. 8. 1865. In: Stifter: SÀmmtliche Werke. Bd. 21 (Anm. 116), S. 18.
119 Stifter an Heckenast, 24. 9. 1865. In: ebd., S. 23 f.
120 Stifter an Heckenast, 22. 1. 1866. In: ebd., S. 135.
Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft 379
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471