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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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WĂ€hrend der Kritiker Bernhards Literatur nach anfĂ€nglicher Skepsis mehr und mehr fĂŒr sich entdeckte, verschlechterte sich Handkes VerhĂ€ltnis zu den beiden zusehends  – und nachhaltig. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) Im Vorfeld der Publikation der ErzĂ€hlung Langsame Heimkehr, dem ersten Band der gleichnamigen Tetralogie, notiert Siegfried Unseld im Juli 1979, der Autor habe sich sowohl gegen einen „Klappentext“ als auch gegen die â€žĂŒbliche Wer- bung“ ausgesprochen  – „keine Anzeigen mit blöden Texten“; außerdem fordere Handke, so der Bericht des Verlegers, ein „Verbot aller Rezensionen, insbeson- dere von M. R.-R.“ 123 Langsame Heimkehr erschien in der Folge tatsĂ€chlich ohne Klappentext; wenig ĂŒberraschend konnte sich Handke aber weder mit seinem allgemeinen noch mit dem persönlichen Rezensionsverbot fĂŒr Reich-Ranicki durchsetzen.124 Nach ersten negativen Besprechungen, die sich, wie etwa Urs Jenny im Spiegel, am pathetischen Duktus von Handkes ErzĂ€hlung stießen,125 teilte dieser seinem Verleger am 15.  Oktober 1979 mit, die Kritiken hĂ€tten ihn „traurig gemacht“, er habe seine Hoffnung auf „ein verborgenes Großes Volk von Lesern“ aber noch nicht aufgegeben.126 Kurz darauf hatte sich allerdings bis zu Handke herumgesprochen, dass auch Reich-Ranicki eine Besprechung von Langsame Heimkehr vorbereitete: In einer ausfĂŒhrlichen Notiz zu einem Besuch in Handkes Salzburger Domizil hĂ€lt Unseld fest: „Peter Handke: er ‚laboriert‘ an den Kritiken herum. Daß MRR schreiben will, versteht er ĂŒberhaupt nicht, er habe das auch gar nicht gewollt.“ 127 123 Unseld: Chronik, Juli 1979. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  60), S.  367. Unselds Chronik-Eintrag endet mit dem fĂŒr die Beziehung des Verlegers zu seinem Autor bezeichnen- den Satz: „Man muß schon von seiner Sache ĂŒberzeugt sein und sich stark fĂŒhlen, um da nicht umzukippen.“ (Ebd., S.  368) 124 Auch sein ‚Werbungsverbot‘ blieb wirkungslos, wie u. a. Unselds Brief vom 27. 8. 1979 zeigt. Vgl. ebd., S.  368 f. 125 Vgl. Urs Jenny: Ein Messias der Natur. In: Der Spiegel, Nr.  41, 8. 10. 1979, S.  247 – 249, hier S.  249: „[N]ie war man so sehr wie hier (wo doch Hinwendung zum NĂ€chsten das Credo ist) Zuhö- rer eines sehr kĂŒhnen und sehr selbstseligen SelbstgesprĂ€chs, in sauerstoffarmen Kunsthöhen, fern und ein bißchen zu schön.“ Vgl. zur negativen „Kritik an Sprache und Stil“ von Handkes ErzĂ€hlung Gerhard Pfister: Handkes Mitspieler. Die literarische Kritik zu Der kurze Brief zum langen Abschied, Langsame Heimkehr, Das Spiel vom Fragen, Versuch ĂŒber die MĂŒdigkeit. Bern u. a.: Lang 2000, S.  128 – 130. 126 Handke an Unseld, 15. 10. 1979. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  60), S.  384. 127 Unseld: Salzburg, 5. – 6.  November 1979. In: ebd., S.  385; vgl. zur Rezeption der Langsamen Heimkehr auch Handkes nachtrĂ€glichen Kommentar in einem 1988 gefĂŒhrten Interview: „Am Anfang war eigentlich so eine gutmĂŒtige Ratlosigkeit, bis auf ein oder zwei Kritiker, die gleich „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki170 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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