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aber auch auf Probleme bei der Koordination und fehlende zeitliche Ressourcen
zurĂŒckzufĂŒhren, zumal Handke in diesen Monaten des Jahres 1969 intensiv mit
der Arbeit an der ErzÀhlung Die Angst des Tormanns beim Elfmeter beschÀftigt
war; zudem hatte er wiederholt bekundet, fĂŒr die Position eines âRedakteursâ
der Zeitschrift, also fĂŒr die operativen Agenden einer solchen Unternehmung,
âunfĂ€higâ zu sein und folglich nicht dafĂŒr zur VerfĂŒgung zu stehen.149
FĂŒr den gegenwĂ€rtigen Zusammenhang ist indes ein weiteres Mal Handkes
Doppelstrategie in Bezug auf das Genre der Rezension von Interesse. WĂ€hrend er
sich, wie Unseld in einem Reisebericht notiert, im Zuge der Diskussionen ĂŒber
die Konzeption der Zeitschrift mit âziemlich schlimmen Urteilenâ nicht nur ĂŒber
âAdorno, Marcuse, HabermasâÂ
â also drei zentrale Akteure der Suhrkamp-Intel-
ligenzija â, sondern auch âĂŒber die Literaturkritikerâ hervortat,150 erprobte er â
parallel zur Feststellung diverser Defizite der zeitgenössischen Literaturkritik â
selbst alternative Formen der Besprechung von BĂŒchern, Theater
stĂŒcken, Filmen
und Musik. Anders als Bernhard hat Handke versucht, sein Unbehagen ĂŒber die
Verfahren der Literaturkritik nicht bloĂ resignativ zu konstatieren; vielmehr war
er stets bestrebt, als Gegenentwurf Möglichkeiten eines anderen âArtikelschrei-
bensâ zu erkunden.
âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke
In der Weihnachtsnummer des Kölner Stadt-Anzeigers hatte Handke Ende 1968,
also kurz vor Beginn der Planungsphase der Zeitschrift, in Bezug auf das Doppel-
album The Beatles konstatiert, es sei âschwer, zu dem Album was zu sagen; es
ist so schön, daĂ man es nur beschreiben möchte.â 151 Die Episode, in der er
vom Kauf des Albums erzĂ€hlt, kann als Beleg fĂŒr die Beziehung gelten, die sich
Ende der 1960er Jahre ganz selbstverstÀndlich zwischen dem Style der Beatles
und der posture des jungen Autors, der sich rasch den Ruf eines âLiteratur-Bea-
tlesâ152 erarbeitet hatte, herstellen lieĂ: âAls ich vor ungefĂ€hr einem Monat ein
PlattengeschĂ€ft betrat und zu der VerkĂ€uferin sagte: âRaten Sie, welche Platte
ich möchteâ, lachte die VerkĂ€uferin und zog auch schon gleichzeitig die Platte
heraus.â 153 Ob die VerkĂ€uferin den Schriftsteller Handke, der sich mit seinen
149 Handke an Herbert Linder, 29. 3. 1969. Zit. nach ebd., S. 113, Anm. 1.
150 Unseld: Reisebericht MĂŒnchen, 11. â 13. Juli 1969. In: ebd., S. 124.
151 Peter Handke: John Lennon sagte: RevolutionÀre sollen sich selber Àndern. In: Kölner Stadt-
Anzeiger, 24. 12. 1968.
152 Vgl. etwa Höller: Peter Handke (Anm.Â
42), S.Â
37 â 46. Zum Kontext vgl. auch Anja Pompe: Peter
Handke. Pop als poetisches Prinzip. Köln u. a.: Böhlau 2009.
153 Handke: John Lennon sagte (Anm. 151).
âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471