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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) DarĂŒber hinaus lassen sich gewisse Parallelen zwischen dem in Korrektur geschil- derten architektonischen und dem als Schilderung vorliegenden Schreibprojekt feststellen, denn beide  – das Kegelbauwerk selbst und das Buch ĂŒber das Kegel- bauwerk  – definieren sich ganz wesentlich ĂŒber die Differenz zu Akteuren und Institutionen der jeweiligen Felder. Roithamers Anspruch, „etwas [zu] bauen, das noch kein Mensch gebaut hat“ (TBW 4, 238), nĂ€mlich „sein Kegelwerk, welches bis dahin niemals hatte ausgefĂŒhrt werden können“ (TBW 4, 42), richtet sich ausdrĂŒcklich gegen das Misstrauen und den Unverstand der „sogenannten Fach- leute“ (TBW 4, 43), gegen die Ablehnung des „Fachgesindel[s]“ (TBW 4, 186). Zudem verschafft die Konstruktion des Kegels als „nie dagewesenes Bauwerk“ 141 seinem Architekten gerade deshalb die „höchste Befriedigung“ (TBW 4, 238), weil er mit dieser doppelt superlativischen „höchsten Höchstleistung[  ]“ (TBW 4, 35) den common sense in einem Land ĂŒberschritten habe, das, so Roithamer, „alle Anzeichen von GeistesschwĂ€che“ (TBW 4, 27) zeige. Nicht etwa das Urteil der „Baufachleute[  ]“ bzw. „der sogenannten Architektenwelt“ (TBW 4, 43) bestĂ€tigt das Gelingen des Projekts, vielmehr die feste Überzeugung Roithamers, den Kegel „ganz gegen das Bauen der anderen, ganz gegen die Vorschriften und auch Vorstellungen der anderen“ (TBW 4, 99) errichtet zu haben: Roithamers Kegel ist, so Roland Innerhofer, ein „Zeichen der SouverĂ€nitĂ€t“: „Durch die Errichtung des Bauwerks, fĂŒr das es in der Tradition kein Beispiel gibt, das sich an keine konventionellen Vorgaben hĂ€lt, will der Erbauer seine eigene Identi- tĂ€t erlangen: nicht durch Erinnerung an die Vergangenheit, sondern durch die Antizipation der Zukunft.“ 142 Roithamers „totale RĂŒcksichtslosigkeit“ gegenĂŒber Ă€sthetischen Konventionen und sozialen Erwartungen, die der ErzĂ€hler und Nachlassbearbeiter beharr- lich hervorhebt, geht, wie David Roberts gezeigt hat, mit der „totale[n] Beja- hung der eigenen Entwicklung“ einher.143 Nur er selbst, keine kritische Instanz von außen, bestimmt ĂŒber das GlĂŒcken seiner Studie wie ĂŒber den Wert seiner 141 David Roberts: Korrektur der Korrektur? Zu Thomas Bernhards Lebenskunstwerk Korrek- tur. In: Bernhard. AnnĂ€herungen. Hg. v. Manfred Jurgensen. Bern, MĂŒnchen: Francke 1981, S.  199 – 213, hier S.  212; Hahn: Geschichte und Epigonen (Anm.  37), S.  425, schreibt Roithamer das Konzept eines „originalitĂ€tsĂ€sthetischen Innovationismus“ zu. 142 Roland Innerhofer: Der Kegel als Held. Zu Thomas Bernhards Korrektur. In: Ein Zoll Dankfest. Texte fĂŒr die Germanistik. Konstanze Fliedl zum 60. Geburtstag. Hg. v. Susanne Hochreiter u. a. WĂŒrzburg: Königshausen & Neumann 2015, S.  193 – 200, hier S.  193 f.; vgl. ebd., S.  194 f.: „Der Roithamer’sche Kegel ist eine gebaute Utopie, die sich aus der radikalen Opposition zu aller Überlieferung definiert.“ 143 Roberts: Korrektur der Korrektur? (Anm.  141), S.  204. Rezensionen, die keine sind: Kritik und Selbstkritik bei Thomas Bernhard386 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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