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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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all die Jahre ebenso wenig abgewichen wie von der Überzeugung, dass literari- sche Autoren selbst als Kritiker  – oder besser: als ĂŒber ihre LektĂŒreerfahrungen schreibende Leser  – taugen. „Du schaffst es“, schreibt er am 7.  Oktober 1986 als Dank fĂŒr Hermann Lenz’ Rezension der Wiederholung an den befreundeten Autor, „ein Buch darzustellen, so, daß es sich erst öffnet und aus dem Zeitungs- geraschel hervortritt als ein Ding fĂŒr sich.“ 216 Und ein halbes Jahr spĂ€ter, mit Blick auf Lenz’ Besprechung von Nachmittag eines Schriftstellers: „Ich bewundere Dich, daß Du ĂŒber BĂŒcher schreiben kannst, und noch mehr dafĂŒr, wie Du das Wesentliche an einer Sache findest und es zugleich dann nur andeutest, so daß der Zeitungsleser auf die Spur kommen kann, von selber“.217 Dieser Idealform der Kritik, der es gelingt, sich vom sonstigen „Zeitungsgeraschel“ freizuspielen und die Leserinnen und Leser der Zeitung zur eigenen, aufmerksamen LektĂŒre anzuregen, haben, folgt man Handkes einschlĂ€gigen Notizen und Äußerungen, im Laufe seiner schriftstellerischen Karriere nur wenige Rezensionen entsprochen. Seinen daraus resultierenden „Bedenken gegen die gelĂ€ufige Literaturkritik“ 218 hat er nicht selten pointiert Ausdruck verliehen, ja sein Schreiben mitunter als bewussten Gegenentwurf zum Mindset der tonangebenden Kritiker in Stellung gebracht: „Es wendet sich“, so Handke 1982 anlĂ€sslich der Salzburger UrauffĂŒh- rung des TheaterstĂŒcks Über die Dörfer, „aggressiv gegen den Schwindel dieser Existenz, in der die meisten Kulturjournalisten dahinvegetieren.“ 219 In der Folge werden Stationen dieses konflikttrĂ€chtigen VerhĂ€ltnisses kurso- risch in den Blick genommen, bevor ich im fĂŒnften Kapitel dieser Arbeit Hand- kes GegenentwĂŒrfe zur etablierten Praxis der Literaturkritik nachzuzeichnen versuche. Sie sind als produktive Erweiterungen seiner Diagnosen zu verstehen, als VorschlĂ€ge fĂŒr andere Formen und AusprĂ€gungen der Literaturkritik. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio Handkes BeschĂ€ftigung mit der Institution ‚Literaturkritik‘, mit ihren Mechanis- men, ihrem Vokabular, ihren Argumentationsverfahren und nicht zuletzt mit ihrer Selektionsfunktion im literarischen Feld reicht bis in die AnfĂ€nge seines Schreibens zurĂŒck. Sie beginnt bereits deutlich vor seinen vielzitierten Prince- toner Invektiven von 1966  – Invektiven, die sich, wie bereits gezeigt wurde, nicht 216 Handke an Lenz, 7. 10. 1986. In: Handke/Lenz: Berichterstatter des Tages (Anm.  17), S.  221. 217 Handke an Lenz, 11. 5. 1987. In: ebd., S.  232 f. 218 Georg Pichler: Die Beschreibung des GlĂŒcks. Peter Handke. Eine Biografie. Wien: Ueberreuter 2002, S.  59. 219 Renate Poßarnig: „Ich möchte nicht verehrt werden“. [GesprĂ€ch mit Peter Handke.] In: stern, Nr.  40, 30. 9. 1982. Unfreundliche Betrachtungen: EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik120 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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