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Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen | 63
Forscher durchaus meint, dass das Titelblatt nicht unbedingt von den Autoren selbst
(also den Angielinis) dem Atlas hinzugefügt worden sein muss, sieht er es doch als
wesentliche Aussage im Hinblick auf den Verwendungszeck des Atlasses an. Es heißt
dort nämlich : Damit aber die Greniczen zwischen dem Künigreich Vnngern unnd dem
Erbfeindt besser erkhanndt werden müge, unnd zu teglichem Gebrauch bequember, so ist die
Vnngerisch Mappa in fünf tail in disem Buech gethailt worden …195 Die Schrift dieses
Titelblattes weist nun einen völlig anderen Charakter auf als etwa die Beschriftungs-
elemente auf den im Atlas enthaltenen chorografischen Karten selbst und dürfte nach
ihrem für das 16. Jahrhundert ungewöhnlichen Duktus viel eher dem folgenden zu-
zuordnen sein. Im ältesten Verzeichnis der Bestände der Handschriftensammlung der
Österreichischen Nationalbibliothek findet sich ja die Vermutung, dass es sich beim
Cod. 8609 Han vielleicht um ein Werk des um die Mitte des 17. Jahrhunderts tätigen
Kartografen Martin Stier handelt. Wenngleich diese Interpretation keinesfalls für den
Atlas als solchen zutrifft, so wäre es doch gut möglich, dass Stier der vorliegenden
Kollektion älterer Kartenwerke das Titelblatt selbst hinzufügte bzw. hinzufügen ließ.
Der im Text selbst erläuterte Beweggrund, man habe damit eine Kartengrundlage für
die bessere Kenntnis der Grenzen zwischen Ungarn und dem (osmanischen) Erbfeind
machen wollen, trifft ja für die 1650er und 1660er Jahre genauso zu wie für die Epoche
ein Jahrhundert zuvor.
Das Titelblatt wie auch die Aufnahme von sechs Darstellungen, die ursprünglich
eindeutig Teil des zweiten Wiener Atlasses (Cod. 8607 Han) waren, sogar die dort
durchgehend zu konstatierende Faltung der Einzelblätter aufweisen, zwingen zu ei-
nem Überdenken der bisherigen Deutung der Wiener Überlieferung in Form des Cod.
8609 Han. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte es im Umfeld bzw. zur Schaffens-
zeit des habsburgischen Kriegsingenieurs Martin Stier um 1660 zu einer Neubindung
bzw. erstmaligen Bindung der beiden vorhandenen Überlieferungen gekommen sein.
Bis dahin waren die zwei Atlanten – oder sogar nur Kollektionen in Form von losen
Blättern (?)196 – offensichtlich bei Hofe197 verwahrt worden. Martin Stier ist darüber
195 ÖNB Cod. 8609 Han, fol. 1r.
196 Da das Wien-Blatt aus dieser Kollektion in den frühen 1620er Jahren von Job Hartmann Enenkel für
dessen eigenen Wien-Plan als Vorlage verwendet wurde (siehe dazu unten S. 125 f.), dürfte es damals
noch als Einzelblatt existiert haben. Vielleicht lässt sich aus dieser Verwendung als Vorlage für den
späteren Plan sogar darauf schließen, dass das Wien-Blatt, die anderen Festungsblätter und sogar die
Landkarten um 1620 eben bei Hofe, und nicht im Hofkriegsrat verwahrt wurden. Ob nämlich Enenkel
zu den Unterlagen des Hofkriegsrats Zugang gehabt hätte, erscheint eher unwahrscheinlich.
197 Nach der Zweckbestimmung des heute vorliegenden Festungsatlasses müsste er eigentlich in den
Beständen des Österreichischen Staatsarchivs, Kriegsarchiv, überliefert sein, doch war er offenbar –
solches ist für den Wiener Cod. 8607 Han (siehe unten S. 65–68) gleichfalls denkbar (siehe unten
S. 68) – ein dem Monarchen zugeeignetes Werk. Darauf weist ja im Übrigen auch die für das frühe
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499