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Der italienische Humanismus in
Österreich34
Einfluss im österreichischen Umfeld an dem 1376 von Niccolò Beccari für Karl IV.
verfassten Fürstenspiegel ausgemacht werden, der hauptsächlich aus dem Brief Se-
niles VI.8 zum Thema De avaritia kompiliert wurde. Darüber hinaus verbindet sich
die Verbreitung seines Gedankengutes mit dem Studium und der Nachahmung der
Werke von Augustinus, wie sich das am deutlichsten bei Johannes von Neumarkt
in den Soliloquia animae ad Deum (1354– 7) manifestiert. Dabei bleibt der direkte
Einfluss von Petrarca auf das Hauptwerk des böhmischen Frühhumanismus, auf Jo-
hannes von Tepls Ackermann aus Böhmen (nach 1400), umstritten, weil zwar starke
thematische Bezüge zu den Triumphi und zu De remediis utriusque fortunae auszuma-
chen sind, die Todesproblematik allerdings innerhalb der antiken und christlichen
Tradition schon vor Petrarca in ähnlicher Weise auch abgehandelt wird (vgl. Senecas
De remediis fortiutorum). Der Tod vertritt im Ackermann aus Böhmen die augustini-
sche Lehre von der Schlechtigkeit des Menschen und der Nichtigkeit des Lebens
im Sinne eines memento mori, während sein Widerpart das Recht auf Leben und die
Schönheit des menschlichen Lebens in einer neuen Form verteidigt, deren Weltzu-
gewandtheit eine neue religiöse Bewertung der menschlichen Seele und damit auch
wesentliche Züge des Humanismus ankündigt.21 Der italienische Einfluss in Böhmen
wird im 15. Jahrhundert dann von der hussitischen Revolution beinahe vollständig
wieder zunichte gemacht und erst nach der radikal-nationalen Regentschaft von
Georg von Podiebrad (ab 1444 Reichsverweser, 1458–71 König von Böhmen) lang-
sam aufgegriffen.
Dass Petrarcas monumentale Moralphilosophie aus De remediis utriusque for-
tunae zumindest auszugsweise in Österreich Verbreitung findet, beweist die in einem
Innsbrucker Handschriftenfragment überlieferte früheste deutsche Teilübersetzung
daraus, welche laut Joachim Knape auch aus Tirol stammt.22 Die durch die in dem
Manuskript verwendete Interpunktion, die Groß- und Kleinschreibung sowie den
Lautstand des Textes und dessen Schreibgewohnheiten begründete Lokalisierung
verweist für Knape in ein österreichisches Gebiet, wenn er auch einschränkt: „Eine
klare Zuweisung nach Osttirol, und dort etwa dem Hof der Grafen von Görtz in
Lienz, läßt sich aber dennoch nicht wirklich absichern.“23 Die zeitliche Einord-
nung zwischen frühestens 1390 und 1430, zumindest aber in die erste Hälfte des
15. Jahrhunderts, bedeutet jedenfalls eine entscheidende Brücke über das bishe-
deutscher Studenten in Pavia in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. In. Wolfgang Rein-
hard (Hg.): Humanismus im Bildungswesen des 15. und 16. Jahrhunderts. Weinheim 1984, S. 25–44.
21 Vgl. Gerhard Hahn: Der Ackermann aus Böhmen des Johannes von Tepl. Darmstadt 1984.
22 Joachim Knape: Die ältesten deutschen Übersetzungen von Petrarcas Glücksbuch. Texte und Untersu-
chungen. Bamberg 1986.
23 Knape: Die ältesten deutschen Übersetzungen, S. 49.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549