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Der italienische Humanismus in
Österreich38
Humanist auch um eine außergewöhnliche literarische Darstellung der Leistungen
seines Fürsten bemühen, nicht zuletzt um dadurch seinen eigenen Wert im Sinne des
von Petrarca zitierten Programms aus Ciceros Pro Archia Poeta zu steigern.
In der von Petrarca 1333 in Lüttich wiederentdeckten Rede verteidigt 62 v. Chr.
Cicero den aus Antiocheia in Kleinasien stammenden Rhetorik-Lehrer Archias ge-
gen den Vorwurf, er maße sich das römische Bürgerrecht an, mit dem Argument,
dass er durch seine literarischen Leistungen so viel zur Kultur Roms beigetragen
habe, dass man ihm ohnehin sofort das Bürgerrecht verleihen sollte. In dieser Rede,
die ohne Zweifel ‚Ein Zeugnis für den Kampf des Geistes um seine Anerkennung‘
im humanistischen Sinne37 darstellt, vertritt Cicero wortreich den Wert der studia
humanitatis, die den vir bonus bene dicendi peritus als vollkommenen Staatsbürger her-
vorbringen. Am Höhepunkt seiner Argumentation zitiert Cicero die Legende von
Alexander d. Gr. am Grab von Achilles, worin die unübertreffliche Leistung der Li-
teratur als ewige Garantin der kollektiven Erinnerung und des individuellen Ruhmes
unterstrichen wird:
quam multos scriptores rerum suarum Magnus ille Alexander secum habuisse dici-
tur! atque is tamen, cum in Sigaeo ad Achillis tumulum astitisset, „O fortunate“ in-
quit „adulescens qui tuae virtutis Homerum praeconem inveneris!“ nam, nisi illi ars
illa exstitisset, idem tumulus, qui corpus eius contexerat, nomen etiam obruisset!
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Mit dieser Passage bzw. inhaltlich verwandten Stellen bei Ovid (Metamorphosen
XV.871–872 und Tristia III.7, 50 –52) und Horaz (Oden III.30) rechtfertigen die
Humanisten gegenüber ihren Fürsten die Notwendigkeit ihrer Tätigkeit bei Hof,
indem sie durch ihre literarischen Werke für den Nachruhm ihrer Gönner sorgen.
Diese humanistische Konzeption von Literatur bereitet den Boden für die kaiserli-
chen Hofdichter des 17. und 18. Jahrhunderts.
Weder mit seinen konventionellen Huldigungsproduktionen wie einem Gedicht
für Kanzler Kaspar Schlick, noch mit einem Carmen in laudem Friderici Caesaris oder
der dem Kaiser gewidmeten Ode über das Leiden Christi (Carmen Sapphicum in nos-
tri Salvatoris passionem) erzielt Piccolomini einen nenneswerten Erfolg, wie er selbst
37 Marcus Tullius Cicero: Pro Archia Poeta. Ein Zeugnis für den Kampf des Geistes um seine Anerken-
nung. Hg., übers. und erl. von Helmuth und Karl Vretska. Darmstadt 21988.
38 Cicero: Pro Archia Poeta X.24; Welch große Zahl von Autoren für seine Taten soll der große Alexander
um sich gehabt haben! Und doch hat er, als er in Sigeon ans Grab des Achilles getreten war, ausgerufen:
„Du glücklicher Mann, der du für deine Tapferkeit einen Homer als Herold gefunden hast!“ Wahrhaft:
Wenn für ihn nicht jenes Kunstwerk entstanden wäre, hätte jener Grabhügel, der seinen Körper gebor-
gen hat, auch seinen Namen verschüttet. (S. 54–57)
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549