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45Enea
Silvio Piccolomini in Wien
Modicus ac temperatus cibus, ut Hieronymus ad Rusticum scribit, et carni et ani-
mae utilis est. Adist igitur ratio, ut tales et tantos assumas escas, quibus nec corpus
oneretur nec libertas animae praegravetur. (S. 142–144)52
Die Fragen der Ausbildung des Geistes nehmen selbstverständlich den größten Teil
des Traktats ein, wobei das Studium der Philosophie und der Wissenschaften, die
Sprachausbildung und die religiöse Erziehung im Mittelpunkt stehen. Die systema-
tische Lektüre der lateinischen Klassiker ist wiederum laut Piccolomini deshalb der
wichtigste Bereich in der gesamten Bildung des Menschen,53 weil sie die reichsten
Quellen der moralischen Sittlichkeit zugänglich macht und zugleich die Grundlage
der Eloquenz bildet. Vorzüge, welche das Ansehen des Herrschers bei seinen Unter-
tanen steigern und deren Gemüter in entscheidenden politischen Konflikten für ihn
einnehmen. Dafür muss schon im jugendlichen Alter die entsprechende Umgebung
geschaffen werden, in der diese Qualitäten gewissermaßen natürlich erworben wer-
den. Die Wahl der Freunde des Prinzen spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie
erlaubt ihm, spielerisch die für die öffentliche Meinung so wichtige Kommunika-
tionsfähigkeit mit seinen Untertanen zu trainieren:
Ex his quidam Hungaricum, quidam Bohemicum, quidam patrium, omnes autem
Latinum sermonem norint vicissimque loquantur. Sic absque labore et quasi per
ludum haec omnia perdisces idiomata, et alloqui tuos subditos per te ipsum pote-
ris. Nihil est, quod suo principi favorem populi magis conciliet, quam gratia ser-
monis. (S. 170)
Piccolominis Abhandlung über die Kindererziehung stellt formal ein Meisterstück
des rhetorischen Aufbaus und damit ein Vorbild für den künftigen rex litteratus dar:
In der Einleitung werden die drei Grundbedingungen jedes Erziehungsprozesses,
nämlich ererbte Anlage,54 vermittelte Belehrung und praktische Übung 55 dargelegt.
Nach den Überlegungen zur körperlichen Gesundheit als der Voraussetzung für die
angestrebten geistigen Fähigkeiten wird als Gesamtziel schließlich eine Kombina-
tion von moralischer Philosophie und rhetorischer Eloquenz definiert. Die Gram-
matikübungen, der Lektürekanon, die Interpretation der Autoren und die Anleitun-
52 Piccolomini zitiert hier ausdrücklich Friedrich III. als Vorbild: „[…] quam sapiens est tam sobrium se
ostendit; non vino, non cibo se implet; castigata prandia, castigatiores agit cenas […]“ (S. 146).
53 Danda est igitur summo studio litteris opera. (S. 162)
54 Omnibus, qui ad virtutis culmen ducendi sunt, pueris naturam in primis bonam et disciplinae capacem
esse opportet. (S. 132)
55 Sicut enim caeca est sine disciplina natura, sic sine natura manca est disciplina. (S. 132–134)
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549