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Der italienische Humanismus in
Österreich52
Quid ego naturae legibus renitar? Omnia vincit amor; et nos cedamus amori.75
Nach einigen unterhaltsamen Verwirrungen um eine Kupplerin und dem ersten
Briefverkehr der Verliebten (Euryalus lernt Italienisch, um ihr direkt schreiben zu
können), welcher Beispiele ausgefeiltester Rhetorik enthält, siegt schließlich die
Macht der leidenschaftlichen Worte:
Ut turris, quae – fracta interius – inexpugnabilis videtur exterius, ariete admoto
mox confringitur, sic Euryali verbis Lucretia victa est.76
Glücklich resignierend gesteht sie ihm:
Vicisti, iamque tua sum.77
Es gelingt darauf den Liebenden unter manchmal demütigenden Umständen, zwei
glühende Nächte miteinander zu verbringen, in welchen sich der wilde Charakter
der leidenschaftlichen Frau manifestiert, die wesentlich stärker ihren Trieben unter-
worfen scheint:
Indomitum animal est mulier nullisque frenis retinendum.78
Das veranlasst den Autor zu Unheil verkündenden Ausrufen von höchst dramati-
scher Rhetorik:
O insensatum pectus amantis, o mentem caecam! O animum audacem corque
intrepidum!79
Bei einem typischen Zwischenfall allerdings, als die beiden von Lucretias Ehemann
Menelaos beinahe überrascht werden, manifestiert sich der so ganz andere Charak-
75 Warum also soll ich mich gegen das Naturgesetz stemmen? Alles besiegt ja die Liebe, so will auch ich
mich ihr beugen. (S. 24–25)
76 Wie ein Turm, der innerlich baufällig ist, aber von außen uneinnehmbar scheint, rasch zusammenbricht,
sobald der Mauerbrecher ihn erschüttert, so wurde Lucretia durch die Worte des Euryalus verführt.
(S. 42–43)
77 Ich erkläre mich für besiegt und bin die Deine. (S. 42–43)
78 Das Weib ist ein unbezähmbares Tier und mit keinem Zügel zu halten. (S. 44–45)
79 O wahnbesessenes Herz der Verliebten! O geblendeter Verstand, o kühner Geist und verwegener Mut!
(S. 54–55)
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549