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Panegyrik für Maximilian I.
Augsburger Verlegers Johannes Wiedemann sein Odeporicon, ein teils in Versen teils
in Prosa abgefasstes, neulateinisches Reisejournal. Mit seinen Städtebeschreibungen,
kulturhistorischen Exkursen und politischen Kommentaren (u.a. über den Wiener
Kongress 1515 und die Doppelhochzeit zwischen den Familien Habsburg und Jagi-
ellon) stellt das Werk eine bedeutende historische Quelle dar, indem es die strategi-
schen Absichten von Maximilian I. resümiert und die Bedeutung von Kardinal Lang
als Verhandlungsführer und geschulter Rhetoriker hervorstreicht. Darüber hinaus ver-
mittelt der Text ein überaus anschauliches Bild vom Reiseleben der Zeit und enthält
eine autobiographische Schilderung der Aufgaben eines Hofhumanisten. So illustriert
der Autor den Stellenwert der enkomiastischen Rhetorik am Kaiserhof, indem er seine
Huldigungsrede auf die versammelten Persönlichkeiten bei der Doppelhochzeit im
Wiener Stephansdom am 22. Juli 1515 im dritten Buch seines Odeporicon vollständig
wiedergibt. Ausschnitte daraus werden von Jakob Spiegel in seine 1519 in Augsburg
herausgegebenen Epicedia in pium pii Maximiliani obitum übernommen werden.
Die offizielle Anerkennung für Bartolinis Werk spiegelt sich in Vorzugsdrucken
auf Pergament (mit handkolorierten Holzschnitten) sowie in dem zu dieser Zeit
noch selten vergebenen Privileg wider, denn das vom Hofhistoriographen erlassene
Nachdruckverbot schützt die Publikation unter Androhung von 10 Goldmark Strafe
für 10 Jahre in allen Territorien des deutschen Reiches.
Bartolinis Reisebericht über seine Erlebnisse im deutschen Sprachraum ist natür-
lich nicht die erste Schilderung dieser Gebiete durch einen italienischen Verfasser:
zahlreiche relazioni, dispacci oder diari von Kaufleuten, Gesandten und Gelehrten aus
Italien formen bereits ab dem Hochmittelalter das Deutschland-Bild ihrer Lands-
leute, schaffen Vorurteile von Land und Leuten nördlich der Alpen bzw. bestärken
bestehende Stereotype. Darüber hinaus haben diese Schriften entweder einen streng
funktionalen Inhalt (ökonomische oder politische Analysen) oder aber den Charak-
ter einer literarischen Stilübung im Rahmen einer intellektuellen Karriere (Enea
Silvio Piccolominis Germania z.B.). Insgesamt entspricht Bartolinis Reisegedicht
diesem im Humanismus so beliebten Genre, denn zahlreich sind darin die Beschrei-
bungen der öffentlichen Bauten bzw. Befestigungen von Städten und ihrer blühen-
den Erwerbstätigkeit sowie – seit Petrarcas Brief aus Köln ein obligates Kapitel –, die
Lobeshymnen auf die örtlichen Frauen.125
Verleger und Drucker in Wien, teilweise bis 1514 in Kooperation mit Johannes Singriener, tätig. Vietor druckt
die zentralen Veröffentlichungen zum Wiener Kongress von 1515 wie die Orationes Viennae Austriae ad Divum
Maximilianum Caes. Aug. aliosque illustrissimos Principes. habitae. In celeberrimo trium Regum ad Caes. conventu.
125 Vgl. Hermann Wiegand: Hodoeporica. Studien zur neulateinischen Reisedichtung. Baden-Baden 1984.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549