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Der italienische Humanismus in
Österreich68
Füssel weist jedoch auf die völlig neue Ausrichtung Bartolinis bezüglich seiner inten-
dierten Leser hin:
Bartolini schrieb dagegen sein Odeporicon in erster Linie für ein reichsdeutsches,
in zweiter Linie für ein »internationales«, am Schicksal des Kaisers interessier-
tes Publikum. Urteile über deutsche Sitten fließen daher nur gelegentlich und
indirekt ein […] Stereotype Aussagen über Sitten und Gebräuche, die Parallelen
zu anderen Reiseberichten italienischer Humanisten aufweisen, finden sich im
Odeporicon nur in einzelnen Fällen […]126
Die wichtigsten Stationen der von Kardinal Lang und seinem Gefolge zwischen
11. Februar und 9. Juni 1515 unternommenen Reise, wie sie im ersten Buch des
Odeporicon geschildert wird, sind Augsburg, Regensburg, Wien und Preßburg. Das
zweite Buch hingegen befasst sich mit der Reise von Maximilian I. von Innsbruck
nach Wien im Juli 1515, und bietet eine ausführliche Dokumentation des Wiener
Kongresses und der daraus resultierenden dynastischen Doppelhochzeit.
Mit seinen politischen Interventionstexten wie der Epistola Ferdinandi (Brief über
die spanische Nachfolgefrage, Augsburg 1516), der De conventu descriptio (Bericht
über den Reichstag in Augsburg, Augsburg 1518), der Oratio de expeditione contra
Turcas suscipienda (Rede für einen Türkenkrieg, Augsburg 1518) reiht sich Bartolini
ohne Zweifel in die literarische Tradition Enea Silvio Piccolominis ein, der mit ähn-
lichen Textsorten seinen Ruf als humanistischer Intellektueller und seine Karriere als
Prälat begründet hat.
Das herausragende Werk von Riccardo Bartolini ist unbestritten sein panegyri-
sches Epos Austrias, „[…] das einzige Renaissanceepos für einen bedeutenden Herr-
scher nördlich der Alpen […]“,127 an welchem er bis zur Veröffentlichung in Straß-
burg bei Matthias Schürer 1516 zehn Jahre lang gearbeitet hat und für welches er
vom Kaiser im März 1517 in Antwerpen zum Poeta laureatus gekrönt wird.
De bello Norico Austriados Libri duodecim, wie es im vollständigen Titel der Erstaus-
gabe im Verlag von Leonhard und Lukas Alantsee heißt,128 finden unter dem Schutz
des kaiserlichen Privilegs weite Verbreitung und Anerkennung, wie aus Briefen der
Zeitgenossen ersichtlich ist. Inhaltlich wird darin der innerhalb der Familie Wittels-
bach ausgetragene, bayerisch-pfälzische Erbfolgekrieg von 1503 bis 1505 nachge-
126 Füssel: Riccardus Bartholinus Perusinus, S. 101.
127 Füssel: Riccardus Bartholinus Perusinus, S. 144.
128 Eine Folgeausgabe mit den Erläuterungen von Jakob Spiegel erscheint 1531 in Straßburg bei Johannes
Schott: Richardi Bartholini, Perusini, Austriados lib. XII.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549