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Der italienische Humanismus in
Österreich74
So erweist sich die lateinische Austrias des Rocco Boni als Werk, das dem Anlaß
in zweifacher Hinsicht gerecht wurde: In der Darstellung des Ereignisses über-
rascht der Dichter durch seine Vertrautheit mit der offiziellen Propaganda, ja
durch Kongruenz mit der Herrschaftsauffassung Ferdinands – die er wohl durch
Vermittlung höhergestellter Gönner kannte. In der poetischen Ausgestaltung
unternimmt er es, das Bild des neuen Kaisers einem gebildeten Publikum durch
ein subtiles Spiel mit literarischen Traditionen und durch den Rückgriff auf be-
rühmte Musterautoren ansprechend zu präsentieren.138
Gieronimo Bossi veröffentlicht zur selben Zeit in Italien La genealogia della gloriosis-
sima casa d’Austria (Venedig 1560), ein Epos in zehn Gesängen zur Verherrlichung
des Hauses Österreich, vermutlich in der Absicht, eine bezahlte Funktion bei der
Herrscherfamilie damit zu erlangen, was ihm aber nicht gelungen zu sein scheint.
Am kaiserlichen Hof in Wien und vorwiegend in Prag wirkt im Umkreis des Ma-
lers Giuseppe Arcimboldo (1527– 93) zumindest von 1568 bis 1571 der ebenfalls aus
Mailand stammende Historiograph Giovanni Battista Fontana (Fonteius Primio,
Fonteo)139 als eine Art kultureller Berater von Maximilian II. (1527–76). Fontana ver-
fasst ein Carme con distici e profezia intitolato la Clemenza, dessen Übertitel Per la pittura
delle quattro Stagioni e dei quattro Elementi composti secondo la figura umana da Giuseppe
Arcimboldo (ÖNB Cod. 10152) den Anlass für das Gedicht und seine Bedeutungsebene
offenbart. Fertig gestellt am 30. Dezember 1568, vermutlich zur Präsentation des al-
legorischen Zyklus von Arcimboldo, worin das Thema immer durch ein aus Tieren,
Pflanzen und Früchten zusammengesetztes menschliches Gesicht dargestellt wird,
erläutert es in 310 Versen die Symbolik der Bilderreihe. Der Dichter versucht dabei
auf ebenso hermetische Weise wie der Maler Analogien zwischen den natürlichen Ele-
menten und den Jahreszeiten einerseits bis zu den Herrschaftsformen und den Fürsten
andererseits herzustellen, um sie im Idealfall auf Maximilian II. zu übertragen.140
In enger Kooperation mit Arcimboldo organisiert Fontana 1571 die Feierlichkei-
ten für die Hochzeit von Erzherzog Karl II. (von Innerösterreich, 1540 –1590) mit
Maria Anna von Bayern in Wien, deren Inszenierung und entsprechenden Sinn-
zusammenhang er in der Handschrift Europalia (ÖNB Cod. 10206) darlegt, wobei
138 Klecker / Römer: Die Kaiserproklamation, S. 233.
139 Vgl. Effetto Arcimboldo. Trasformazioni del volto nel sedicesimo e nel ventesimo secolo. Mailand 1987,
S. 147–164. Auch wenn Fontana-Fonteo in seinen Lebensdaten bisher nur schwer fassbar ist, kann wohl
eine Identität mit dem vorwiegend in Tirol tätigen Maler Giovanni Battista Fontana (Verona 1524 bzw.
1541 – Innsbruck 1587) ausgeschlossen werden.
140 Vgl. Andreas Beyer (Hg.): Giuseppe Arcimboldo. Figurinen, Kostüme und Entwürfe für höfische Feste.
Frankfurt a.M. 1982.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549