Seite - 103 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 103 -
Text der Seite - 103 -
103Reformorden
aus Italien und ihre Volksmissionen
Formen von Religiosität. Eine der gegen diese existenzielle Bedrohung ergriffenen
Maßnahmen ist die Berufung italienischer Ordensleute in die Provinzen nördlich der
Alpen, was zwar innerhalb der Klostermauern die dringendsten Probleme löst, ande-
rerseits aber die Entfremdung von der Laienbevölkerung zu verstärken droht:
Die Minoriten, Dominikaner und Augustiner hatten durch die Reformation teils
Mitglieder verloren, teils war der Nachwuchs ausgeblieben, so daß die Provinzi-
ale die zusammengeschmolzenen Personalstände durch Versetzung südländischer
Mönche zu ergänzen suchten. Diese ‚Wälschen‘ waren aber dem Volke durch
Sprache und Sitte fremd und blieben auch unbeliebt, andererseits mochte man in
Italien gerade solche Elemente abgeschoben haben, deren man ohnehin gerne los
war, oder man schickte in anderen Fällen tüchtige Mönche, die sich an den freien
Sitten der Deutschen stießen, kurz die Wälschen taten in den Wiener Konventen
nicht gut und man erzählte sich ganze Schaudermären von ihrem Treiben.197
Die verschiedenen Institutionen der katholischen Kirche und der Universität Wien
werden relativ rasch in von den päpstlichen Stellen in Rom koordinierte Gegenmaß-
nahmen gegen den sich ausbreitenden Protestantismus eingebunden. So wird z.B.
die Apologia pro veritate catholicae et apostilicae fidei ac doctrinae adversus impia ac valde
pestifera Martini Lutheri dogmata (Florenz 1520) des Dominikanerpaters Ambrosius
Catharinus (Lancilotto Politi, 1483–1553) in Wien als erste wichtige Schrift gegen
Luthers Lehre nachgedruckt und an der Universität verteilt.198 Eine der ersten ka-
tholischen Polemiken gegen Luther, die Constitutio ad removendos abusus et ordinatio
ad cleri vitam reformandam (Regensburg und Köln 1524) von Kardinal Lorenzo Cam-
peggi (1474–1539), in der die päpstlichen Positionen gegen die neue Lehre aggressiv
und konsequent vertreten werden, erfährt in einer noch im selben Jahr vermutlich in
Wien bei Johann Singriener d.Ä. gedruckten Übersetzung (Der Römischen Kayserlichen
Mayestat Edict wider Martin Luther Büecher vnd Lere/ seine Anhennger/ Enthalter vnd
nachuolger/ vnd etlich ander schmeliche schrifften) eine u.a. durch Erzherzog Ferdinand,
dem Bruder von Kaiser Karl V., geförderte Verbreitung in Österreich.
Die schließlich nach dem Konzil von Trient in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts einsetzende Gegenreformation führt zwangsläufig zu engeren Beziehungen
zu Rom.199 Diese überaus engagierte Anteilnahme seitens der päpstlichen Institutio-
197 Ernst Tomek: Das kirchliche Leben und die christliche Charitas in Wien. In: Anton Mayer (Hg.): Ge-
schichte der Stadt Wien. Bd. 5. Wien 1914, S. 160–330, hier S. 228.
198 Tomek: Das kirchliche Leben und die christliche Charitas in Wien, S. 161, Anm. 3.
199 László Szilas S.J.: Curia papale e impero durante la Guerra dei Trent’Anni. In: Silvano Cavazza (Hg.):
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549