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107Reformorden
aus Italien und ihre Volksmissionen
lich angeregter wird. Die Prediger suchen jetzt nach wirksamer homiletischer
Behandlung besonders des Leidens Christi und der Betrachtung seines Todes
und arbeiten mit immer drastischeren Mitteln. Sie gestikulieren mit Totenköpfen
auf der Kanzel und geißeln sich vor den Zuhörern.209
Besondere Erwähnung verdienen hier die Volksmissionen des italienischen Jesui-
tenpredigers Paolo Segneri (1624–94), dessen Schriften in Original und Überset-
zung in Österreich gedruckt werden und der einen wesentlichen Beitrag zu der sich
ausbreitenden Kreuzverehrung leistet, welche sich unter anderem in den später von
der Aufklärung heftig angeprangerten öffentlichen Selbstgeißelungen mancher fun-
damentalistischer Gläubiger manifestiert.210 Die ab dem Ende des 17. Jahrhunderts
für die Pietas Austriaca so typischen Glaubensinhalte beschreibt der Jesuit Josephus
Schalletarus (1658–1712) in seiner 1693 in Wien erschienenen Abhandlung Recen-
tissima Pietatis Austriacae Monumenta Leopoldi Primi […] et Maiorum ejus in Deum, S.
Crucem, SS. Eucharistiam Religio et B. V. Mariae Cultus. In ausgeklügelten Wortspie-
len werden Bezüge zwischen den Namen von Personen oder Ländern auf der einen
Seite und religiösen Konzepten auf der anderen Seite hergestellt, wie das in der Li-
teratur häufig genannte Anagramm Eucharistia – hic Austriae des Historiographen
Gregorio Bulzio.
Schon eine Generation zuvor hat der italienische Franziskaner Didaco Tafuri da
Lequile (Donatus Maria Tafuri, auch: Diego da Lequile; 1604–73) in seiner 1655 in
Innsbruck gedruckten Schrift Colossus Angelicus Austriacus sive Austriae Sobolis admi-
randa moles Apocalypsea Religione constans die ungewöhnliche Kraft des Hauses Habs-
burg auf dessen unerschütterlichen Glauben an die Eucharistie zurückgeführt und in
seinem genealogischen Ehrenwerk Pietas Austriaca, septies sibi fortuna, ac totidem suae
fortunata posteritati (Innsbruck 1655–56) den habsburgischen Adler mit einer Hostie
im Herzen dargestellt. Tafuri da Lequile verfasst zur selben Zeit eine ausführliche
Beschreibung von Tirol, die unter dem Titel Relazione delle principali curiosità di questo
contado del Tirolo Del P. Lequile. Come anche di alcune cose ricreative accadute all’Autore
nel Bagno di Egherdoch 1655 in Innsbruck erscheint.
Dass der Jesuitenorden relativ rasch in der Umgebung des kaiserlichen Hofes
einen besonderen Ruf genießt, wird durch eine Begebenheit illustriert, die einer-
209 Elfriede Grabner: Heilsverkündigung durch Ordenspropaganda als gegenreformatorische Glaubensma-
nifestation. In: Leeb / Pils / Winkelbauer (Hg.): Staatsmacht und Seelenheil, S. 109–118, hier S. 112.
210 Vgl. Anna Coreth: Pietas Austriaca. Ursprung und Entwicklung barocker Frömmigkeit in Österreich.
München 1959 (Wien 21982). – Dieter Breuer (Hg.): Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock.
Wiesbaden 1995.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549