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Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen
Frühaufklärung110
deren entscheidenden Momenten er immer wieder auch persönlich präsent ist, kann
er die Erfolge seines Wirkens in den osmanischen Niederlagen und den daraus re-
sultierenden Gebietsverlusten nach den Schlachten von Ofen-Budapest (1684–86),
Neuhäusel-Érsekújvár (1685), Harsány-Mohács (1687) und Belgrad (1688) sowie
den Frieden von Karlowitz (1699) noch direkt miterleben.
Marco d’Aviano stirbt im Sommer 1699 während eines Aufenthaltes in Wien –
der Legende nach im Beisein von Kaiser Leopold I. – und wird in der Pietàkapelle
der Kapuzinerkirche beigesetzt, vor der seit 1936 eine monumentale Bronzestatue
an seine vehemente Art zu predigen erinnert.
Sein Mitbruder und Schüler Cosmo da Castelfranco (eigentl. Bartolomeo Set-
tenari) begleitet ihn auf diesen Reisen und hinterlässt eine handschriftliche Vita di
Marco d’Aviano, frate cappuccino sowie detailreiche, vorwiegend auf österreichischem
Gebiet verfasste Appunti di viaggio.
Der 1619 von Erzherzog Leopold V. nach Innsbruck gerufene Franziskaner
Tommaso Acerbis da Olera (1563–1631) zeichnet sich vor allem durch seine Missi-
onspredigten im unteren Inntal aus, wo er die Reformgedanken des tridentinischen
Katechismus bei der armen Bevölkerung verbreitet. Ab 1617 steht Acerbis da Olera
als Freund und spiritueller Berater mit dem bereits erwähnten Hippolytus Guari-
noni (1571–1654), Arzt in der Stadt Hall und am landesfürstlichen Hof sowie Ver-
fasser wichtiger wissenschaftlicher Traktate, in engem Kontakt. Vermutlich auf An-
regung seines italienischen Freundes stiftet Guarinoni 1620 für den Servitenkonvent
in Volders die von ihm selbst entworfene Karlskirche, welche in ihrer Architektur als
erster barocker Zentralbau Nordtirols und mit ihrem Namensgeber Carlo Borro-
meo (1538–84) in bemerkenswerter Weise die Vorstellungen der norditalienischen
Gegenreformation über die Alpen trägt.
Acerbis da Olera widmet sich in seinen Predigten und Sendschriften häufig den
ethischen Problemen der christlichen Ehe und engagiert sich für das Damenstift in
Hall, wo seit der Gründung durch Erzherzogin Magdalena 1567 viele Töchter des
Tiroler Adels im Geist der Gegenreformation erzogen werden. In Tirol hat Acer-
bis da Olera bedeutenden Einfluss als geistlicher Berater bzw. Beichtvater der Erz-
herzoginnen Maria Christine (1574–1621) und Eleonore (1582–1620), der beiden
Schwestern Kaiser Ferdinands II. und Erzherzog Leopolds V. von Tirol, sowie auf
Leopolds Gemahlin Claudia de’ Medici (1604–48). Er bietet seine kirchenpoliti-
schen Ratschläge dem Salzburger Erzbischof Paris von Lodron und in den ersten
Jahren des Dreißigjährigen Krieges Kaiser Ferdinand II. an. Seine in Wien 1620
verfassten Concetti morali contra gli eretici werden posthum in dem Sammelband Fuoco
d’amore (Augsburg 1682, Teil IV, S. 529–708) gedruckt.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549