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Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen
Frühaufklärung128
wird das Eindringen der Ideen des cattolicesimo illuminato ohne Zweifel durch den
Spanischen Erbfolgekrieg 1700 –13 und den damit verbundenen Konflikt zwischen
Papst und Kaiser um das Territorium von Comacchio nahe der Po-Mündung be-
günstigt. Der in Italien erwachende Neoghibellinismus, also alle mit dem Kirchen-
staat verfeindeten Personen, richten ab diesem Zeitpunkt ihre Hoffnungen auf den
Kaiser als wichtigsten Gegenspieler des Papstes, weil er südlich der Alpen die Her-
zogtümer von Mailand und Mantua und lange Zeit auch das Königreich Neapel-
Sizilien kontrolliert:
Diese antikuriale und antirömische Funktion von Wien und dem Kaiserhof wird
dann auch sichtbar in dem Schicksal des Pietro Giannone, des Verfassers der be-
rühmten antikurialen ‚Istoria civile del Regno di Napoli‘, der, vor der kirchlichen Ver-
folgung aus Neapel geflohen, durch elf Jahre in Wien lebt, im Genuß einer Pen-
sion, die ihm Karl VI. aus den Einkünften des Königreichs Neapel gewährt hat.241
Es sind vor allem Kleriker aus dem Trentino, welche unter dem Schutz Prinz Eu-
gens eine wichtige Rolle spielen bei der Vermittlung eines aufgeklärten Reformka-
tholizismus italienischen Ursprungs mit deutlichen jansenistischen Neigungen, der
vor allem von der Universität Pavia und den dort lehrenden Theologen Pietro Tam-
burini, Giuseppe Zola und Antonio Natali ausgeht.242
Im Zentrum dieser geistesgeschichtlichen Bewegung steht vor allem eine Per-
sönlichkeit:
Ludovico Antonio Muratoris (1672–1750) Bedeutung für die italienische
Historio
graphie und für die Grundlegung und Verbreitung des aufgeklärten Ka-
tholizismus in Europa ist unbestritten.243
Deutschland und Italien im 18. Jahrhundert. Letterati, erudizione e società scientifiche negli spazi italiani
e tedeschi del ’700. Tübingen 1999.
241 Adam Wandruszka: Die katholische Aufklärung Italiens und ihr Einfluß auf Österreich. In: Elisabeth Ko-
vács (Hg.): Katholische Aufklärung und Josephinismus. Wien 1979, S. 62–69, hier S. 65. Vgl. auch Adam
Wandruszka: Il riformismo cattolico settecentesco in Italia ed Austria. In: Storia e politica 3–4.1965,
S. 385–398.
242 Vgl. Elisabeth Garms-Cornides: Rivalutazione del Settecento. Versuch einer Literaturübersicht. In:
Römische Historische Mitteilungen 12 (1970), S. 197–278, und dies.: Zwischen Giannone, Muratori
und Metastasio. Die Italiener im geistigen Leben Wiens. In: Friedrich Engel-Janosi (Hg.): Formen der
europäischen Aufklärung. Untersuchungen zur Situation von Christentum, Bildung und Wissenschaft im
18. Jahrhundert. Wien 1976, S. 224–250.
243 Werner M. Bauer: Ludovico Antonio Muratori und die Literatur des Josephinismus. In: Paolo Chiarini /
Herbert Zeman (Hg.): Italia – Austria. Alla ricerca del passato comune. Roma 1995, S. 597–637, hier S. 597.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549