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Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen
Frühaufklärung130
denen, nun als bizarr eingestuften Devotionsformen und gegen die Auswüchse der
Volksreligiosität.
In Italien reaktiviert die katholische Frühaufklärung eine Organisationsform der
Wissenschaften, welche im Humanismus entstanden, während der Gegenrefor-
mation aber in den katholischen Ländern auf Grund ihrer starken Bindung an die
protestantischen Gebiete des deutschen Sprachraums von der politischen Führung
argwöhnisch betrachtet bzw. sogar unterdrückt wird, die Gelehrtenakademie:
Charakteristisch für die Aufnahme seiner [Muratoris] Gedanken in den habsbur-
gischen Ländern war der Weg über die sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts über-
all neu bildenden Gelehrten Gesellschaften, deren Existenz und Organisation
gerade in Italien gegen Ende des 16. und im 17. Jahrhundert durch die militante
Restauration des Katholizismus nach dem Konzil von Trient stagnierten.248
Es bilden sich in Österreich halbprivate Gesellschaften, die sich mit den oben ge-
nannten Konzepten auseinander setzen, ihre Verbreitung unterstützen und ihre
Umsetzung in der Politik fördern:
– die gelehrten Runden am Wiener Kaiserhof um den Prinzen Eugen und um die
beiden italienischen Hofbibliothekare Alessandro Riccardi (1660–1726) und Pio
Niccolò Garelli (1670–1739), der gleichzeitig Leibarzt von Kaiser Karl VI. ist;
– ein Gelehrtenkreis an der einzigen süddeutschen Universität, die nicht unter
Kontrolle der Jesuiten steht, nämlich an der Benediktiner-Universität Salzburg,
zu welchem u.a. Karl Joseph von Firmian (1716–82, ab 1756 Statthalter und Ver-
waltungsreformer der Lombardei), Johann Joseph von Trautson (1707–57, ab
1751 Erzbischof von Wien)249 und Hieronymus von Colloredo (1732–1812, ab
1772 Erzbischof von Salzburg) zählen;
– die Societas Silentiariorum bzw. Academia Taxiana in Innsbruck, die sich gegen
den Widerstand der Jesuiten für die Einführung des Geschichtsunterricht an der
Universität einsetzt und mit Muratori korrespondiert;
– die 1746 in Olmütz gegründete und ab 1747 von Maria Theresia protegierte So-
cietas eruditorum incognitorum in terris austriacis, zu deren Mitgliedern Muratori
persönlich zählt.250
248 Bauer: Ludovico Antonio Muratori, S. 599f.
249 Trautson sendet 1752 einen Hirtenbrief aus, in dem er sich von den noch bestehenden Auswüchsen des
Heiligen- und Marienkultes abwendet; 1754 reduziert er die Zahl der gebotenen (und damit arbeits-
freien) Feiertage in der Erzdiözese Wien.
250 Bauer: Ludovico Antonio Muratori, S. 607.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549