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italienische Improvisationskomödie
von den Truppen selbst hinterlassene Material, welches ihre Organisationsformen
(Verträge), Einkünfte (Gehalts- und Abgabenlisten), Reiserouten (Ansuchen an
Stadtverwaltungen) und Repertoires (Spielpläne, Theaterzettel) dokumentiert. Für
die großen italienischen Theatertruppen der zweiten Hälfte des 16. und des gesam-
ten 17. Jahrhunderts birgt dieses Material wohl kaum mehr große Neuheiten. Ande-
rerseits ruhen in den Staats-, Stadt- und Adelsarchiven Europas wohl noch zahlrei-
che Aufzeichnungen von Hofinstitutionen, Stadtverwaltungen und Privatpersonen,
welche mit den italienischen Truppen in beruflichen oder privaten Kontakt getreten
sind und wertvolle sozialgeschichtliche Details aus der Perspektive des Publikums
enthalten. Darüber hinaus warten andere zahlreiche Publikumsreaktionen, wie sie in
Reiseberichten, Briefen und Tagebüchern überliefert und bisher nur in den promi-
nentesten Fällen publiziert sind, auf ihre entsprechende Würdigung. Derartige die
Commedia dell’arte in Italien selbst und in den Gebieten nördlich der Alpen betref-
fende Quellen sind in den deutschsprachigen Ländern besonders in den Archiven
von Österreich und Böhmen zu finden – wie die Veröffentlichungen von Otto G.
Schindler263 beweisen – und können als wichtige Mosaiksteine in das nachweislich
lückenhafte Bild von den Rezeptionswegen dieses Improvisationstheaters eingefügt
werden.
In erstaunlich kurzer Zeit überquert nämlich die Commedia dell’arte auch die
Alpen, um in den nördlichen Ländern auf Initiative z.B. von Caterina de’ Medici
1555 am französischen Königshof in Blois und von Wilhelm V. 1568 bei der Fürs-
tenhochzeit in München einen wichtigen Platz bei öffentlichen und halböffentlichen
Festlichkeiten einzunehmen. Teilweise von Mitgliedern des Hofes, teilweise von an-
fangs nicht näher bezeichneten Schauspielern dargestellt, unterhalten die Szenen
mit Magnifico und Zanni, den Kernfiguren der Commedia dell’arte, ein Publikum,
das traditionell in der Theatergeschichte kaum mit dieser Art von „Volksbelusti-
gung“ in Zusammenhang gebracht wird.
Die älteste überlieferte Beschreibung einer derartigen Theateraufführung im
deutschen Sprachraum, der Bericht von Massimo Troiano (Discorso delli trionfi,
giostre, apparati e delle cose piu notabili fatte nelle sontuose Nozze dell’Illustrissimo & Ex-
263 So z.B. Mio compadre Imperatore: Comici dell’arte an den Höfen der Habsburger. In: Maske und Ko-
thurn 38 (1997), S. 25–154. – Zan Tabarino, ,Spielmann des Kaisers‘: Italienische Komödianten des Cin-
quecento zwischen den Höfen von Wien und Paris. In: Römische Historische Mitteilungen 43 (2001),
S. 411–544. – „Sonst ist es lustig alhie“. Italienisches Theater am Habsburgerhof zwischen Weißem Berg
und Sacco di Mantova. In: Andreas Weigl (Hg.): Wien im Dreißigjährigen Krieg: Bevölkerung – Gesell-
schaft – Kultur – Konfession. Wien 2001, S. 565–654. – Francesco Cotticelli / Otto G. Schindler: Per la
storia della Commedia dell’Arte: „Il Basilisco del Bernagasso“. In: Franco Carmelo Greco (Hg.): I per-
corsi della scena: Cultura e comunicazione del teatro nell’Europa del Settecento. Neapel 2001, S. 13–342.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549