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Die italienische
Improvisationskomödie146
schlossen, die außer Spesen noch 300 Goldkronen für ihre Aufführungen bekom-
men sollten.294 Es ist aber keineswegs gesichert, dass diese Tournee nach Innsbruck
(oder aber nach München) tatsächlich stattgefunden hat.
Im Oktober 1583 spielt ein Magnifico mit seinem Diener Zanni – also die Kern-
besetzung der Commedia dell’arte bestehend aus dem geizigen, gierigen, alten
Kaufmann aus Venedig und seinem schlauen Diener aus der finstersten Provinz
(meistens Bergamo) – vor dem Hof in Prag und bekommt dafür 50 Taler.295
Welches Interesse die Darstellungstechniken und die speziellen Scherze der ita-
lienischen Stegreifkomödie in den darauf folgenden Jahrzehnten in den österreichi-
schen Ländern hervorrufen, beweist das erste literarische Zeugnis über sie, das zu
ihrer weiteren Verbreitung beiträgt, indem es ihre Form und Inhalte als Illustratio-
nen für seine Argumentation heranzieht. In seiner 1610 veröffentlichten moralphi-
losophischen Schrift Die Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechts schildert
der in Tirol lebende, in Italien ausgebildete Arzt Hippolytus Guarinoni296 typische
Szenen der Dienerfigur des Zanni, um die schonungslose Darstellung von dessen
Fressgier und Brutalität als Exempel jener sozialen Verwüstungen hinzustellen, um
deren Dokumentation es dem Autor geht.297 So z.B. gewährt der Magnifico seinem
von der angeblich vielen Arbeit ermüdeten Diener die Bitte, einmal eine Woche
ausrasten zu dürfen, nur unter der strengen Auflage, sich in dieser Zeit nicht im
Geringsten zu bewegen. Als der Diener dann nach den vor ihm aufgetragenen Spei-
senschüsseln greifen möchte, wird er jedes Mal unter Verweis auf die Vereinbarung
erbarmungslos gezüchtigt.
Im Register von Guarinonis Grewel werden 23 so genannte lazzi von Zanni –
also Improvisationsscherze – mit ihrem deutschen Titel aufgelistet; Martino298 spürt
aber weitere sechs Szenen der Commedia dell’arte in dieser Schrift auf (Kapitel LVI
des vierten Buches und die Kapitel IV, XI, XII und XXVII des sechsten Buches VI)
und weist auf weitere derartige Scherze im handschriftlichen Fragment des zweiten
294 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p.179. – M. A. Katritzky: A Study in the Commedia
dell’Arte 1560–1620 with Special Reference to the Visual Records. 2 Bde. Diss. Oxford 1994, Bd. 1, S. 113.
295 HKA, HZAB 34/1583, fol. 451v.
296 Vgl. M. A. Katritzky: Hippolytus Guarinonius’ descriptions of commedia dell’arte lazzi in Padua, 1594–
1597. In: Quaderni Veneti 30 (1999), S. 61–126.
297 Vgl. Brauneck: Die Welt als Bühne II, S. 354. – Peter Sprengel: Herr Pantalon und sein Knecht Zanni.
Zur frühen Commedia dell’arte in Deutschland. In: Wanderbühne. Theaterkunst als fahrendes Gewerbe.
Berlin 1988, S. 5–18.
298 Alberto Martino: Fonti tedesche degli anni 1565–1615 per la storia della Commedia dell’Arte e per la
costituzione di un repertorio dei lazzi dello Zanni. In: Alberto Martino / Fausto De Michele (Hg.): La
ricezione della commedia dell’arte nell’Europa centrale 1568–1769. Storia, testi, iconografia. Pisa / Rom
2010, S. 13–68.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549