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177Die
Commedia dell’arte im österreichischen Musiktheater des 17. und 18. Jahrhunderts
Letzt sogar die blutigen Waffen eines anderen umhängt, um als Held auftreten zu
können.
Im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zweigt innerhalb der Entwick-
lung des Musiktheaters eine eigene Gattung ab, welche für die produktive Rezeption
der Commedia dell’arte eine große Rolle spielt:
In der weiteren Entwicklung der Oper, in der sich der Typus der venezianischen
Prunkoper durchsetzte, wurden die Intermezzi das Terrain, auf dem die Figuren
der Commedia dell’arte agierten.391
Als Intermezzi oder Intermedien werden musiktheatralische Einlagen bezeichnet, die
in der Aufführungspraxis zwischen den einzelnen Akten von Komödien oder Opern
auf einem vorderen Teil der Bühne die Zeit zwischen den größeren Umbauten des
Bühnenbildes überbrücken helfen.392 Sie bestehen in der Regel aus einer, höchstens
zwei kurzen Szenen komischen Charakters, welche kaum einen inhaltlichen Zusam-
menhang mit dem Hauptstück aufweisen, sondern in relativ freier Gestaltung typi-
sche Einlagen von Spaßmacherfiguren der Improvisationskomödie abwandeln. Die
oft mythologischen393 oder allegorischen, ganz selten religiösen Stoffe werden in
Form von Monologen, Dialogen, fallweise mit Tanzeinlagen, vorgetragen oder im-
provisiert, so dass sie eine kurze Handlungseinheit ohne großen bühnentechnischen
Aufwand bilden. Die meist nur wenigen Figuren (zwei bis drei) bedienen sich einer
dialektgefärbten Sprache und erheitern das Publikum durch ihre Naivität oder Lä-
cherlichkeit. Weder der Librettist noch der Komponist der Intermedien sind in der
Regel die selben Personen wie jene des Hauptwerkes der Aufführung.
Diese unterhaltsamen Zwischenstücke erfordern zunehmend wegen der steigen-
den Erwartungen des Publikums einen höheren Grad an Professionalität seitens der
Ausführenden, nicht so sehr Sänger als Schauspieler, Akrobaten und Tänzer. Diesen
Bedarf decken unter anderem die Truppen der Commedia dell’arte, deren Spieltech-
niken sich für derartige Szenen bestens eignen.394
Eine besondere Form der Intermezzi in den Hofopern des 17. Jahrhunderts sind
philosophische Einakter, welche aktuelle gesellschaftliche Themen in einem kriti-
391 Brauneck: Die Welt als Bühne II, S. 356.
392 Vgl. Charles Troy: The Comic Intermezzo. Ann Arbor 1979. – Elisabeth Fritz: Intermedi e Intermezzi
(dalle origini fino all’anno 1768, circa). In: Alberto Martino / Fausto De Michele (Hg.): La ricezione della
commedia dell’arte nell’Europa centrale 1568 –1769. Storia, testi, iconografia. Pisa / Rom 2010, S. 371–
402.
393 Aurelio Amalteo: Mercurio esploratore. Intermezzi musicali. Vienna: Matteo Cosmerovio 1662.
394 Vgl. Nino Pirrotta: Commedia dell’Arte and Opera. In: Nino Pirrotta: Music and Culture in Italy from
the Middle Ages to the Baroque. A Collection of Essays. Cambridge-London 1984, S. 343–360.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549