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179Die
Commedia dell’arte im österreichischen Musiktheater des 17. und 18. Jahrhunderts
Teil begegnen Fernando und Leonardo den heraufbeschworenen Geistern. In den
Abschlussballetten tanzen die vorgeblichen Astrologen und die von ihnen angerufe-
nen Geister.
Ähnlich seine ebenfalls nur handschriftlich überlieferten Einlagen zu der vermut-
lich von Molière abgeleiteten Komödie Anfitrione, die 1685 mit der Musik von An-
tonio Draghi und Andreas Anton Schmelzer als Prolog, zwei Intermedien zwischen
den Akten und Abschluss gegeben werden. Im Prolog bespricht Mercurio – ganz
zum Amphitryon-Stoff passend – mit Notte seinen Botengang auf die Erde sowie
die Liebesbotschaft Jupiters an Alcmena. Im ersten Intermezzo zürnt Giunone we-
gen des Verhältnisses von Jupiter zu Alcmena. Im zweiten Intermezzo beklagen sich
Urfo und Brillo über das Schicksal von Dienstboten und geraten in einen komischen
Streit. In der Schlussszene verspricht Jupiter, Anfitrione glücklich zu machen, wenn
dieser seine Eifersucht ablegt.
Unter dem steigenden Druck der Opernreform, welche in den komischen Ein-
lagen eine störende Unterbrechung der ernsten Handlung sieht und das tragische
Musikdrama davon befreien möchte, machen sich die Intermezzi als beliebte Form
des Unhaltungstheaters zunehmend selbstständig und werden unabhängig zur Auf-
führung gebracht.396 Parallel zu einer damit verbundenen Ausdehnung in der Zeit
erfährt das Genre auch eine Bereicherung auf der inhaltlichen Ebene, so dass die
Anzahl der Figuren ansteigt (bis auf fünf) und die Struktur sowohl der Handlung als
der musikalischen Begleitung komplexer wird, aber stets dem ursprünglichen komi-
schen Charakter verpflichtet bleibt.
Die bevorzugten Themenbereiche und Grundsituationen weisen eine so cha-
rakteristische Nähe zur Improvisationskomödie auf, dass die handelnden Figuren
in ihrem Grundtypus mit dieser übereinstimmen müssen. So kreisen die Inter-
mezzi um die Probleme der an einen alten Mann verheirateten jungen Frau, um
die Schwierigkeiten mit einer herrschsüchtigen Ehefrau und um die komische
Bekehrung eines eingeschworenen Frauenhassers. Häufig werden diese komischen
Konflikte zu einer weiter reichenden Gesellschaftskritik genützt, welche dann auch
das leidvolle Schicksal der Dienstboten einschließen kann. Mit einer Ausweitung der
Publikumsschichten durch ein reicher werdendes Bürgertum finden die Karikaturen
des Adels Eingang in die städtischen Aufführungen, ebenso wie Parodien von einge-
bildeten Neureichen in die höfischen Unterhaltungen.
396 Vgl. Reinhard Strohm: Die italienische Oper im 18. Jahrhundert. Wilhelmshaven 22006, S. 115–121. –
Daniel Brandenburg: Das frühe Intermezzo (1700–1740). In: Herbert Schneider / Reinhard Wiesend
(Hg.): Die Oper im 18. Jahrhundert. Laaber 2001, S. 106–109.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549