Seite - 220 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 220 -
Text der Seite - 220 -
Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock220
Die erste Aufführung einer rappresentazione sacra in Wien lässt sich in das Jahr
1643 datieren, wo in Gegenwart des Kaisers Ferdinand III. und seiner Familie
in der eben eingeweihten Jesuitenkirche ein seither verschollenes Werk von
Giovanni Valentini unter dem Titel „I santi risorti nel giorno della passione di
Christo, et Lazaro fra quelli“ uraufgeführt wurde.460
Durch die besonderen dynastischen Verbindungen der Herrscherfamilie sowie eini-
ger regionaler Fürsten erfolgt die erste Rezeption des italienischen Musikdramas
in Österreich ohne Zweifel über Einflüsse aus Mantua, wo im ersten Jahrzehnt des
17. Jahrhunderts auch für Italien sensationelle Festprogramme geboten werden, de-
ren Inhalte und Formen durch Reisende und Berichte rasch an den europäischen
Höfen bekannt werden und Imitation auslösen. Das gilt insbesondere für Salzburg
unter Erzbischof Marcus Sitticus von Hohenems (1574–1619), der eine italienische
Rappresentazione sacra Santa Christina mit der Musik eines bislang unbekannten
Komponisten erstmals am Aschermittwoch des Jahres 1615 aufführen und anläss-
lich von Fürstenbesuchen am 27. August 1615, 29. April und 5. Dezember 1616,
27. August 1617 und im Fasching 1618 wiederholen lässt.461 Auch Erzbischof Paris
von Lodron (1586–1653) versucht seine Gäste mit geistlichen Musikdramen zu un-
terhalten, was der Bericht über eine am 8. Juni 1628 für Ferdinando II. de’ Medici
(1610–70), den jungen Großherzog der Toskana, im Steintheater in Hellbrunn in-
szenierte Rappresentazione sacra La Maddalena peccatrice in der Vertonung des Salz-
burger Hofkapellmeisters Stefano Bernardi (1577–1637) illustriert. Das Werk wird
im Rahmen der Einweihung des neuen Domes am 27. September 1628 wiederholt.
Den Ausgangspunkt des aus Italien importierten geistlichen Musikdramas am
Kaiserhof bildet ohne Zweifel – und damit bestätigt sich der entscheidende Einfluss
aus Mantua – Giovanni Battista Andreinis La Maddalena. Während des Gastspiels
der Comici Fedeli 1628 in Prag verfasst Andreini eine neue Version seiner 1610 in
Venedig veröffentlichten Verserzählung in Stanzen, die mit einer Widmung an Kar-
dinal Ernst Adalbert von Harrach bei Sigismund Leva erscheint:
460 Bletschacher: Rappresentazione sacra, S. 10. Der letzte Hinweis wurde inzwischen korrigiert von Herbert
Seifert: The Beginnings of Sacred Dramatic Musical Works at the Imperial Court of Vienna: Sacred and
Moral Opera, Oratorio and Sepolcro. In: Paola Besutti (Hg.): L’oratorio musicale italiano e i suoi contesti
(sec. XVII–XVIII). Florenz 2002, S. 489–511, hier S. 496, wo das Titelblatt von Santi risorti abgedruckt
ist. Vgl. auch Rudolf Schnitzler: The Viennese Oratorio and the Work of Ludovico Ottavio Burnacini.
In: Muraro (Hg.): L’opera italiana a Vienna, S. 217–237.
461 Herbert Seifert: Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens. In: Mu-
sicologica austriaca 8 (1988), S. 7–26; hier S. 17.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549